Groß - größer - HONG KONG … bei dem Anblick der nicht enden wollenden Wolkenkratzern und einer Skyline, die einem Schlicht den Atem raubt, würde Lady Liberty vor Neid ganz schön große Augen machen. HK (oder wie es ganz korrekt heißt: Die Sonderverwaltungszone Hongkong der Volksrepublik China) ist eine Mega-City, verteilt auf mehrere Gebiete und Inseln. Die wichtigsten bzw. bekanntesten sind HK-Central - "DAS" Business und Finanzzentrum - die gegenüberliegende Insel Kowloon, die multikultureller kaum sein könnte und deren Viertel Mong Kok auch heute noch Heimat der chinesischen Triaden ist, die New Territories und die vorgelagerten Inseln.
In HK-Central kann man Non-Stopp-Shoppen, sich durch die überfüllten Gassen quetschen oder mit dem Strom treiben lassen. Es gibt riesige Geschäfte aller Markenlabels, die man je gehört hat, und auch das neue i-iPhone 6 wird bereits entweder legal im riesigen Apple Store - der uns das ein oder andere mal als praktischer Orientierungspunkt diente - oder eben etwas weniger legal in der U-Bahn davor zu tausenden verkauft. Mitten in Central startet auch die Peak Tram, eine Standseilbahn die in wenigen Minuten steil an Wolkenkratzern vorbei zum 552m hohen Victoria Peak fährt. Die Aussicht von hier oben ist einfach spektakulär und zeigt einem aufs Neue, wie verdammt riesig diese Stadt ist.
Würde man alleine jeden Starbucks in der Stadt beleuchten, wäre hier wahrscheinlich nie Nacht. Selbst als wir im Hinterland HK‘s mit einer Gondel zum größten sitzenden bronzenen Buddha Asiens -
den Tian Tan Buddha - mitten
im Nirgendwo in die Nähe vieler alter Fischerdörfer fuhren, strahlte uns direkt oben am Top ein grünes Emblem an ...
In Kowloon trifft die „Haute Couture“ auf das „Gewöhnliche“. Die Geschäfte namhafter Designer (vor denen hier übrigens reihenweise angestanden wird) liegen neben riesigen Einkaufszentren voll mit Ramsch.
Teure Restaurants liegen neben „günstigen“ indischen oder chinesischen Garküchen - aber Vorsicht, außer mit der Metro fahren, ist hier gar nichts wirklich günstig!!
(Wir sagen nur Latte Macchiato für 4€!)
Die Menschen (außer den Bänkern und Vorständen) verdienen weitaus weniger als wir und dabei ist hier mit Abstand alles mindestens so teuer wie bei uns.
Aufgrund der teuren Lebenshaltungskosten (mit die teuersten der Welt) wohnen viele Leute, trotz dass sie verheiratet sind, noch mit 30 Jahren bei Ihren Eltern, bevor sie sich endlich eine eigene Wohnung leisten können - und über 100.000 Menschen wohnen in sogenannten Cage Beds. Ein Raum wird in mehrere Käfige eingeteilt in denen kaum mehr Platz wie für eine Matratze zur Verfügung steht, an die Seiten des Käfigs kann man dann sein Hab und Gut befestigen und aufhängen. Küche und Bad wird sich dann mit allen geteilt. Da wundert es auch nicht, dass unser Hostel-Doppelzimmer verdächtig an einen Schuhkarton erinnerte und gerade so breit war, dass man sich noch neben dem Bett an der Wand entlang quetschen konnte.
Und auch die sich allnächtlich vermehrenden Bissspuren der Bettwanzen dürften für viele Hong Konger nichts ungewöhnliches sein. Aber die meisten HK’er lieben ihre Stadt und nehmen vieles in Kauf, um hier leben zu können. Und trotz allem hat Hong Kong mit durchschnittlich 80 Jahren eine der höchsten Lebenserwartungen der Welt!
Einer der Hauptgründe warum es viele Chinesen trotz des nicht einfachen Lebens oder Überlebens nach HK zieht, liegt auf der Hand, HK ist nicht China. Erst 1997 wurde die damalige Kronkolonie Englands an China übergegeben. Den Einfluss spürt man noch immer. Banal fängt es damit an, dass man als Europäer für HK kein Visum braucht, um einzureisen und das es hier als einziges Gebiet in China eine andere Währung, den HK Dollar - der in der Umrechnung an den US Dollar gekoppelt ist - gibt.
Entscheidender Unterschied ist jedoch, dass die HK’er (trotz aller Einchränkungen) erheblich mehr Grundrechte (z.B die Presse, Meinungs - und Versammlungsfreiheit) besitzen als die "Festland-Chinesen".
Zeitungsartikel zu diesem Thema gibt es ja gerade sehr viele:
z.B. diesen hier!
So fesselnd die schier riesigen Hochhäuser, die Shoppingmalls und urbanen Geschäftchen, die tausenden Essenslokale und Cafés , die vielen Fußgängerbrücken zwischen den Hochhäusern, die reibungslos funktionierenden Metrostationen und Seilbahnen direkt an den Skyscrapern vorbei, die Parks, Sehenswürdigkeiten und Tempel auch sind, sie sind voll mit Menschen. In dieser Stadt ist einfach kein Fleckchen Ebene unbenutzt, entweder ein Haus oder ein Mensch steht darauf. Da HK nicht viel bebaubare Fläche hat, wird zum einen in die Höhe gebaut und zum anderen Sand vom Meeresboden aufgeschüttet, um mehr Bauland zu schaffen. Eine Stadt, die einem den Atem raubt und einen manchmal auch kaum atmen lässt.
Jedoch kann man der Großstadt auch entfliehen. Man kann kaum glauben, dass das Umland des pulsierenden HK zu 70% aus grünen Hügeln, Bergen und Tropenwald besteht. HK besteht insgesamt aus 234 Inseln, von denen gerade mal eine Hand voll mit der Fähre zu erreichen sind. So gibt es immer noch traditionelle Dörfer, Wanderwege in den Bergen, Badeorte und Kletterfelsen.
Apropos klettern ...
Nachdem wir nach schlappen 1,5 h Umherirren den von uns ausgesuchten Fels (mit der wohl schlechtesten Zustiegsbeschreibung der Welt) dann doch noch gefunden hatten, durften wir schnell feststellen, dass man nicht in der Verdon sein muss, um knackig bewertete Routen in praller Sonne zu klettern … ;-)
Das klettern an diesem Granitfelsen war gewöhnungsbedürftig aber schön und die Aussicht zurück auf die Stadt war definitiv außergewöhnlich.
Da wir uns an diesem Tag allerdings nach Aussage eines Locals am "am einfachsten zu findenden Kletterspot" (??) in Hong Kong mit zeitgleich dem meisten Schatten (häh - wo denn???) befanden, beließen wir es bei diesem einen Ausflug und bereiteten uns stattdessen anderentags mit einer kleinen Trainigseinheit im „Fitness Corner for the Elderly“ des Kowloon Parks auf unsere Zeit in Yangshuo vor ...
Ungewöhnliche Stille fanden wir mitten im Verwaltungsbezirk der Stadt.
Genauer gesagt auf den, von den Aktivisten der „Umbrella Revolution“ abgesperrten mehrspurigen Hauptverkehrsstraßen. Die Hauptorte der Proteste sind die Viertel Mong Kok in Kowloon und Admiralty in Hong Kong Central. In Admiralty sind viele der großen Straßen durch Barrikaden für den Verkehr unbrauchbar gemacht worden und trotz dass sich tagsüber nur sehr wenige Protestaktivisten in diesem Bereich aufhielten, waren weit und breit keine Polizeieinheiten zu sehen. Und so schlenderten hunderte von Hong Konger Bürgern und Touristen über die abgesperrten Straßen, lasen die meist vielsprachigen Transparente, kamen untereinander ins Gespräch oder ließen einfach nur die Stimmung des Moments auf sich wirken.
Die Hauptverkehrsadern in Berlin nach tagelangen Protesten immer noch von Barrikaden blockiert, umherschlendernde Menschen und weit und breit weder Räumpanzer noch Polizeihundertschaften ... dieses Bild wäre in Deutschland irgendwie schwer vorstellbar!
In Mong Kok bot sich uns dann ein anderes Bild - ebenfalls friedlich, aber eher unseren gewohnten Bildern von Demonstrationen ähnelnd. Zudem wurde dort deutlich, was uns einige Locals, die wir beim klettern kennengelernt hatten, schon zu beschreiben versucht hatten: Die Ziele der Protestbewegung werden zwar von vielen Menschen unterstützt, werden aber (wie ja meistens) nicht von jedem mitgetragen. So wurde z.B. in unserer Gegenwart gerade ein Mann von der Polizei aus der Menge der Demonstranten entfernt, der laut schreiend seine Solidarität mit der chinesischen Zentralregierung und seinem Stolz darüber, Chinese zu sein kundtat. Und sind es nicht grundlegende politische Differenzen, dann doch häufig schlichte wirtschaftliche Interessen z.B. der Geschäftsleute in den abgesperrten Arealen, die (wie in Europa ja auch) zu Anfeindungen führen.
HK hat allerdings den Vorteil, dass dieser Protest vom Rest der Welt beobachtet wird. Die zwei schon erwähnten Locals erzählten uns, dass es in China wohl tausende Streiks und Proteste pro Jahr wegen diversen Missständen gibt. Jedoch wird dort einfach die TV Übertragung zensiert (Soziale Netzwerke sind ja eh in China nicht ohne weiteres zugängig) und die Streiks und Proteste werden gewaltsam plattgemacht, ohne dass je jemand außerhalb (oder auch innerhalb) Chinas davon erfährt.
Me, myself and the „Selfie-Stab“:
So … es ist mal wieder höchste Zeit ein paar Klischees zu bedienen!
Allerdings ist das folgende im Straßenbild viel zu dominant, um einfach nur Klischee, als vielmehr (offensichtliche) Kultur der Gegenwart zu sein.
Ok, zugegeben: Jeder von uns erwischt sich selbst hin und wieder beim sinnlosen rumwischen auf seinem Smartphone. Gemessen an den „Möglichkeiten“ ist das allerdings noch rein gaaaaarnichts … !
Jeder Hong Kong-Chinese scheint mindestens (!!) ein Smartphone zu besitzen, welches - auf gar keinen Fall (!!) - zeitweise in die Tasche gesteckt wird.
Das Smartphone wird nämlich (oft vorsorglich an einen zusätzlichen externen Akku angeschlossen) mindestens in der Hand gehalten, manchmal als Monitor benutzt um zu erkennen wohin man eigentlich gerade geht & um dabei zeitgleich jederzeit irgendetwas fotografieren zu können, oder es wird zeitgleich ge“what´sapp“t, ein Spiel gezockt - oder die soeben geschossen Selfies werden nochmal auf ihre Facebook-Tauglichkeit überprüft und umgehend online gestellt.
Denn dank eines „genialen“ Erfinders müssen die Dinger ja jetzt nicht mehr in der Hand gehalten werden, sondern werden mit steigender Beliebtheit direkt auf einem „Selfie-Teleskopstab“ montiert, durch die Gegend getragen.
Was manchmal einfach nur skurril erscheint, ist - zumindest auf der Straße - oft ziemlich nervig, weil man sich so selbst dann nicht flüssig durch Hong Kong bewegen könnte, wenn nicht hunderttausende sondern nur ein paar Dutzend Menschen auf der Straße wären …
Schließlich muss man ja noch schnell vorm überqueren der grünen Ampel plötzlich stehen bleiben & ein Selfie vor dem Ampel-Pfeiler machen.
Nicht auszudenken, wenn man diese Gelegenheit verpasst hätte!
Unser Hong Kong-Resümee?
Tja ... Heute sind wir endlich in Yangshuo angekommen! ;-)