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Weniger ist manchmal mehr ...

Nicht nur das Wetter in Deutschland könnte zu Weihnachten besser sein, auch im Süden Thailands scheint zur eigentlichen Hochsaison im Dezember die Regenzeit dieses Jahr noch nicht beendet zu sein. Die Kombination aus Regen, Gewitter und schwüler Luft erschien uns nicht allzu klettertauglich und so beschlossen wir ganz spontan Koh Yao Noi und Tonsai den Rücken zu kehren (wohl bemerkt ohne einen einzigen Klettertag dort) und uns das noch nicht allzu bekannte Klettercamp Nam Pha Pa Yai etwa drei Stunden nördlich von Bangkok anzuschauen.

Zu unserer Freude wurden wir dabei von Hans und Fabienne, die wir bereits letztes Jahr - und erfreulicherweise auch dieses Jahr zufällig wieder - in China getroffen haben, begleitet.

 

Per Boot, Bus, TukTuk, Taxi, Flugzeug und Zug ging unsere Reise über Bangkok nach Kaeng Khoi. In dem kleinen Städtchen angekommen, sollten wir laut Anfahrtsbeschreibung im Internet ein Motorradtaxi zur Weiterreise ins Camp nehmen. Mit vier Personen, vier großen und vier kleinen Ruck - bzw. Seilsäcken, erschien uns dieses Beförderungsmittel jedoch etwas ungeeignet.

 

Da weit und breit kein „normales“ Taxi zu sehen war, sprachen wir kurzer Hand einen, am Strassenrand stehenden Passanten an und fragten um Hilfe. Das wiederum löste eine kleine Welle aus und nach wenigen Minuten standen ca. sechs Leute, inklusive einem auf der Strasse arbeitenden Schuster und einem Polizisten um uns herum und diskutierten, wo denn dieser Ort wohl sei, zu dem wir wollten und wie wir am besten dorthin kämen. Zuerst schien es, als würde niemand das Klettercamp kennen, aber nach kurzer Zeit hatte jemand plötzlich eine Visitenkarte des Camps in der Hand und wenig später war selbst über das Funkgerät des Polizisten mehrfach der Name des Camps zu hören …

 

Alle zusammen kamen wir schließlich zu dem Schluss, dass es am besten sei einmal im Camp anzurufen und da wir Glück hatten und eine andere Gruppe von Gästen zum Bahnhof gebracht werden musste, nutzen wir die Gunst der Stunde und ließen uns auf dem Rückweg einfach mit dem Pickup mitnehmen. Als der Pickup nach ca. 20 km von der asphaltierten Strasse auf eine kurvenreiche Schotterpiste abbog und wir mitsamt unserem Gepäck Achterbahn auf der Ladefläche spielten,  wurde uns schnell klar, dass unsere neue Unterkunft tatsächlich, wie erwartet (und erhofft) tief im Nirgendwo liegt.




Das Camp befindet sich auf einem weitläufigen Areal mitten im Dschungel, umrahmt von einem Fluss und zwei beeindruckenden Klettersektoren. Als Schlafstätte hatten wir uns eines der Zelte reserviert, die zum Schutz vor Krabbeltieren und Wetter auf überdachten Bambuspodesten aufgebaut sind. Der Charakter des Camps wird einerseits durch eine konsequente „Minimalausstattung“ und andererseits durch viel Liebe fürs Detail geprägt.

Das Handy-Netz ist generell schlecht, Internetmöglichkeiten gibt es gar nicht, elektrisches Licht erst nach Einbruch der Dunkelheit und da es auch kein WC-Papier gibt, hatten wir „endlich“ die Möglichkeit unsere Versäumnisse aus Indien nachzuholen und uns der „Wasser und linke Hand-Technik“ zu öffnen.



Das Camp ist perfekt organisiert und für die Besitzerin Joy ist es eine Selbstverständlichkeit uns alle Gerichte auch in einer vegetarischen Variante anzubieten. Morgens und mittags  gibt es eine kleine Speisekarte und abends dürfen sich alle gemeinsam um 19:00h an einem kleinen Büffet bedienen, dessen Portionen eher zur Mästung, als zum bloßen Hunger stillen dienlich sind ;-) …

 

Nach jeder Mahlzeit freut man sich bereits auf die nächste. Alle Zutaten sind lokal, sogar das Müsli wird selbst gemacht und das Kaffeepulver wird noch liebevoll von Hand gemahlen.

 

Trotz der Abgeschiedenheit hier, lassen sich die Tage selbst ohne zu klettern, entweder gemütlich auf einer der vielen Hängematten, am kleinen Strand oder - etwas aktiver - auf der Slackline  oder wandernd verbringen. Aber momentan können wir schwerlich genug vom Klettern bekommen und das liegt weniger an unserer vorherigen „Kletterabstinenz“, als an den tollen Kletterfelsen hier. Es gibt zwei große Wände, von denen der größere Sektor  nur per Zipline zu erreichen ist, ein Zustieg ganz nach unserem Geschmack!



Viele der Routen sind um die 30m lang (manche sogar noch länger) und halten immer wieder Überraschungen für uns bereit, da sie deutlich anders sind, als viele Routen und Felsen in Thailand.

Besonders schön ist es für uns, dass man hier - gerade an den  Wochenenden - aufgrund der Nähe zu Bangkok auch auf viele lokale Kletterer trifft.



Nicht nur im Camp fühlen wir uns pudelwohl, auch die Menschen in den umliegenden Dörfern und kleinen Städten berühren uns durch ihre unglaublich freundliche und unbeschreiblich hilfsbereite Art.

Vor einigen Tagen fuhren wir per Bus in die ca. 20 km entfernte Stadt, um ein paar Emails zu checken und mit unseren Familien zu kommunizieren. Ausgestattet mit einer kleinen aufgemalten Karte der wichtigsten Dinge der Stadt (Internetcafé, Wäscherei, Markt und Bushaltestelle) von Joy und den Infos über die ungefähren Fahrzeiten der Busse, dachten wir, es sei ja sicherlich kein Problem wieder zurück zu kehren. Auf den Bus wartend, fragten uns bestimmt zehn Leute wo wir denn hin müssten und ob wir Hilfe bräuchten.

Da Joy uns die Adresse des Camps und die Buslinie auch auf Thai aufschrieb, hielten wir unseren Zettel einfach jedem unter die Nase und alle nickten fleißig und bestätigten, der Bus käme bald. Einer der Passanten blieb sogar mit seinem Motorroller bei uns stehen und wartete mit uns zusammen, ebenfalls in der felsenfesten Überzeugung der Bus würde bald kommen.

 

Nachdem er mit uns zusammen fast eine ganze Stunde dort ausgeharrt hatte und es bereits dunkel geworden war, sagte er plötzlich etwas auf Thai zu uns und fuhr mit seinem Roller davon. Da standen wir beide nun, fragten uns, was er denn wohl gesagt hatte und überlegten wie wir denn jetzt zurück kommen sollten - und just in dem Moment in dem wir weggehen wollten, um uns ein Motorradtaxi zu suchen, fuhr ein Auto vor, kurbelte die Scheibe runter und der Mann, der zuvor mit uns an der Bushaltestelle  gewartet hatte winkte uns in seinen Wagen. Er fuhr uns die 20 km bis ins Camp, ohne eine Gegenleistung dafür zu erwarten (und annehmen zu wollen!). Dieses Verhalten hat uns extrem bewegt und zum Nachdenken angeregt.

 

Zurück im Camp angekommen, sahen wir, dass der Restaurantbereich während unserer Abwesenheit weihnachtlich geschmückt wurde. Beschwingt von so viel erfahrener Hilfsbereitschaft und Menschlichkeit, kombiniert mit der herrlich kitschigen Deko, kommen wir nun im warmen, buddhistischen Thailand so doch noch zu etwas "Weihnachtstimmung":



Wir wünschen euch allen hiermit wunderschöne Feiertage und einen guten Rutsch ins neue Jahr !!!