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"Klettern heisst frei sein!"

Wir haben zugegebener Weise ein wenig überlegt, ob wir überhaupt einen Blogartikel über unsere letzten fünf Wochen schreiben sollen ...

 

Passiert ist im Grunde nämlich nicht viel und fortbewegt haben wir uns auch nicht wirklich. Aber da wir die Zeit fast ausschließlich mit unserer Lieblingstätigkeit - dem Klettern - verbracht haben (und ja auch viele diesen Blog lesen, die mit klettern nichts am Hut haben), dachten wir dieses wäre eine gute Gelegenheit mal zu beschreiben, was das denn für uns so bedeutet und warum wir dem Klettern so viel Zeit widmen.

 

Klettern ist für uns - wie für die meisten Gleichgesinnten - ja nicht einfach nur ein Sport. Klar, macht es uns Spaß, sich weiter zu entwickeln und immer besser, stärker, beweglicher usw. zu werden, aber im Grunde, und das ist das wichtigste, ist es vor allem ein Lebensgefühl.

Morgens früh aufzustehen, mit der Motivation, den ganzen Tag in der Natur zu verbringen und diverse Kletterrouten aufzusteigen, am Ende des Klettertages entweder allein den Sternenhimmel zu beobachten oder am Abend mit Gleichgesinnten ein paar Bierchen zu trinken und über die Routen zu sinnieren - und am nächsten Morgen wieder den Kopf aus dem Zelt zu stecken und umrahmt von Kletterfelsen zu sein … so sieht das Paradies eines Kletterers aus!

 

Meistens liegen die Felsen, nicht wie in Laos, direkt vor der Zelttüre und man muss (zum Teil auch weitere Strecken) mit dem Fahrrad oder zu Fuß zurücklegen. Doch ähnlich wie auch beim Reisen ist der Weg zwischen den verschiedenen Orten Teil des gesamten Erlebens von landschaftlicher Schönheit, einheimischer Lebensweise und innerer Ausgeglichenheit. Klar ist es manchmal bequemer aus dem Auto auszusteigen und nur ein paar Schritte zum Fels zu laufen, aber das morgendliche radeln zu den Felsen (z.B.) in China durch viele kleine Dörfer oder das wandern durch schöne Wälder trägt eben noch mal ganz anders zum Gesamtbild bei.

 

Kletterrouten in Fels oder Eis sind jeweils in verschiedene Schwierigkeitsgrade eingeteilt. Für die meisten liegt die Hauptmotivation zu klettern zwar einfach im Spaß an der Bewegung - aber zum anderen natürlich auch meist darin, eine für sich persönlich harte und schwierige Route zu erklimmen.

Das klappt leider in den seltensten Fällen beim ersten Versuch (sonst wär´s ja nicht auch nicht schwierig) und so muss man mehrere Male, ja manchmal sogar über Wochen austüfteln, wie man bestimmte Passagen klettern muss, Bewegungsabläufe optimieren und schließlich alle Puzzle-Teile zusammensetzten um die Route ohne Pause klettern zu können.

Das Glücksgefühl, welches man dann empfindet, wenn man es endlich geschafft hat, über sich hinaus zu wachsen und sein persönliches Projekt durchzusteigen, muss man keinem Kletterer erklären. Die Werbung einer bekannten Kreditkarte würde diesen Moment wohl als „unbezahlbar“ beschreiben ...

 

All die körperliche, aber auch mentale Arbeit (Sturz- und Versagensängste, Fluchen und manchmal auch Tränen), die man in eine Route investiert hat, haben sich dann bezahlt gemacht!

 

Eine Freundin von Ansgar hat mal gesagt: „Klettern ist die Kunst, Rückschläge hinzunehmen“. Wir fragen uns in diesen Momenten dann häufig selber, warum wir uns das überhaupt antun - aber das ist es wahrscheinlich, was eine Leidenschaft ausmacht.

 

Klettern ist zwar mittlerweile - wie so vieles - zum Trendsport geworden und die Motivationen sind von Kletterer zu Kletterer zunehmend unterschiedlich. Und selbst wenn man die leidenschaftlichsten „Kletter-Hippies“ unserer Zeit nicht mehr mit den 70er Jahre-Kletterern aus dem Camp IV im Yosemite Valley gleichsetzen kann, ist im Grunde eines geblieben: am Felsen ist jeder gleich. Dort ist es egal, wie alt du bist, wo du her kommst, welche Sprache du sprichst und welchen Ausbildungsstatus du vorzuweisen hast … und wenn du (hinsichtlich des Kletterns) vorgibst etwas zu sein, was du nicht bist - und sei es „nur“ vor dir selbst - wird der Felsen dich unmissverständlich in die Realität zurück holen.

Im Grunde aber gibt es beim Klettern auch keine direkte Konkurrenz zu anderen - es geht vielmehr um den ständigen „Kampf gegen sich selbst“.


 

 

Saskia und Ansgar in der Route "Bierschiss" im

Kletter-Sektor "Partymeile" ...


 

 

Na, hoffentlich stammt der Name nicht aus persönlichen Erlebnissen beim Einbohren der Route!


„Klettern heißt frei sein“ … so fasste es Wolfgang Güllich - einer der besten Kletterer seiner Zeit - vor mehr als 2 Jahrzehnten treffend zusammen.  Frei vom Alltag und jeglichen Konventionen. Es gibt beim Klettern nur dich und den Fels. Man ist dabei häufig so fokussiert, dass man für diesen Moment alles um sich herum vergisst und es sich anfühlt als würde man in Bewegung meditieren.

Nicht umsonst belagern noch heute viele Kletterer die Felsen auf der ganzen Welt. Wo es keine Klettercamps oder Ferienwohnungen gibt, zelten viele Kletterer  direkt in der Nähe des Felsens oder übernachten im VW Bus.

 

Man braucht ja im Grunde nicht viel, ein Plätzchen zum Schlafen, etwas zu essen, guten Kaffee und manchmal ein Feierabend-Bier. Klar, um lang genug reisen und klettern zu können, versuchen wir alles so günstig wie möglich zu halten und das bringt natürlich eine gewisse Art von „Verzicht“ mit sich. Aber ob sich etwas dann wirklich als Verzicht anfühlt, oder nicht, ist ja bekanntlich einzig und allein eine Frage der persönlichen Definition und Prioritätensetzung.

Nicht ganz grundlos kommt man sich halt manchmal wie ein "Kletterhippie der Moderne" vor ...

                     Wolfgang Güllich

 

    "Klettern heisst frei sein!"

 

 



Mitten in Laos, mehrere Wochen im Zelt, direkt am Felsen zu schlafen ist für uns mit das Schönste was es gibt!

 

Auf so viel Luxus muss man im Klettercamp bei Uli und Tanja aber - wenn man es nicht will - auch gar nicht verzichten. Hier kann man sich, dreimal täglich bekochen lassen, statt im Zelt im Bungalow wohnen und auf der Kissenlandschaft des Restaurants entspannen.

 

Und trotzdem bleiben der Grundgedanke und die Leidenschaft für das Klettern der gleiche. Uns hat aber hier nicht nur die Kletterei gefallen, sondern ebenso die vielen anderen tollen, lieben und manchmal etwas verrückten Mitkletterer.

 

Besonderer Erwähnung bedarf es dabei den zwei dauerbetrunkenen, mit dem Fahrrad durch Asien reisenden Engländern und ihrem Huhn Steve. In Vietnam schenkte der eine dem anderen ein Huhn zum Geburtstag, das nun in einem Pappkarton hinten auf dem Gepäckträger länderübergreifend mitreist und mit den beiden als nächstes nach Kambodscha fahren wird. Wenn man das Huhn zum ersten Mal sieht, weiß man spätestens in dem Moment wenn man sich wundert, was das Huhn denn braunes zu trinken in seinem Schälchen hat und man es durch riechen eindeutig als Whiskey Lao identifiziert hat, sofort zu wem es gehört … und warum es sich manchmal auch ein wenig merkwürdig verhält. ;-)

 

Nach kurzer Zeit sind wir ein sehr nettes abendliches Trüppchen geworden, bestehend aus Leuten, die wir erst hier kennen gelernt haben, aber auch aus lieben Freunden aus Köln. Die Kletterwelt ist bekannter Weise ja recht klein und so trifft man überall in der Ferne etwas Heimat. Besonders schön war für Saskia auch der Mädelsabend, der nach einem super Abendessen und dem ein oder anderen alkoholischen Kaltgetränk in der Stadt, ihren Höhenpunkt auf der Rückfahrt mit dem TukTuk hatte. Der Fahrer stellte die johlende laotische Partymucke von seinen Kopfhörer auf die Boxen im TukTuk um und wandelte das eh schon klapprige Gefährt in eine Disko um, wo tanzend, schunkelnd und jubelnd die Rückfahrt unter Sternenhimmel verbracht wurde.



Da die einzige „echte“ Mehrseillängen-Tour am Camp bis zum späten Nachmittag der prallen Sonne ausgesetzt ist, steigen die meisten Seilschaften erst nach Mittag dort ein und seilen in der Kühle der Dämmerung wieder ab. Wir übernahmen jedoch die Idee einiger Freunde und umgangen die Mittagshitze, indem wir nachts um 4:00 Uhr  in die Route einstiegen. Hin und wieder schalteten wir dabei unsere Stirnlampen aus und genossen die absolute Stille und den freien Blick auf einen überwältigenden Sternenhimmel.




Nach gut 2 Stunden Kletterei standen wir dann genau rechtzeitig zum Sonnenaufgang auf dem Gipfel und seilten, nachdem wir das Schauspiel ausgiebig bestaunt hatten, gerade noch rechtzeitig wieder ab, um - ausgestattet mit Reis-Suppe und Kaffee - allen anderen beim Aufbruch zum Kletterfelsen zuschauen zu können.

 

… und Dank Ari (einem Kletterer aus Wuppertal) kam uns an unserem letzten Tag noch die Ehre zu, einer seiner kurz zuvor gebohrten Routen erst zu begehen. Die Route, die sich im Sektor „Lost Souls“ befindet, hat 2 Seillängen und da Ari während des Bohrens ein beständiger Ohrwurm des Liedes „Soul-Man“ begleitete heißt die Route „Soul-Familie“ … aufgeteilt in die erste Seillänge „Soul-Man“ und die zweite Seillänge „Soul-Woman“.

Selbstverständlich wurde bei der Erstbegehung „Soul-Man“ von Saskia und „Soul-Woman“ von Ansgar vorgestiegen … und anschließend der jeweils andere nachgeholt.

 

Ari … vielen Dank, für diesen schönen Abschluß unserer Zeit im Camp!



Tja, soweit also ein kleiner Einblick in die Welt des Felskletterns.

 

Da das Display unserer Kamera kaputt gegangen ist, mussten wir noch einen kleinen Abstecher nach Bangkok machen und sind nun mit frisch repariertem Fotoapparat auf dem Weg nach Myanmar.  Mal schauen, ob es uns gelingen wird, auch dort die üblichen Touristen-Pfade ein wenig zu verlassen …