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"Made in Taiwan"

... sehr viel mehr, als dieser Spruch fiel uns zugegebener Weise bis Ende letzten Jahres zu dieser, als Reiseziel noch immer eher unentdeckten und vor allem von Westlern unterschätzten Insel nicht ein.

 

Und hätten wir in China nicht zwei deutsche Kletterer getroffen und unsere taiwanesische Freundin Bao kennengelernt, die uns alle mit funkelnden Augen von der atemberaubenden Kletterei erzählt haben, wäre Taiwan uns wohl sicherlich nicht als potentielle Reise - und Kletterdestination ins Auge gefallen. Doch nun war unsere Neugierde geweckt und spätestens als uns Bao einlud, uns ihre Heimat im Süden der Insel zu zeigen und uns ihre Familie und Freunde vorzustellen war klar, dass wir dort hin mussten und dass wir mit Sicherheit eine tolle Zeit haben werden.

 

Taiwan hat uns vom ersten Augenblick an extrem überrascht. Hatten wir doch eher damit gerechnet, ein Land vorzufinden, in dem man ähnlich wie in China noch den chaotischen süd-ost-asiatischen Flair findet, haben wir ein wirtschaftlich hochmodernes und entwickeltes Land vorgefunden, das zudem seit 1990 die erste richtige Demokratie Chinas ist. Ein Land mit (durch die Besatzungszeit) viel japanischem Einfluss, lebendigen, traditionellen und einheimischen Festen, quirligen Tempeln, einer extrem pulsierenden Hauptstadt und auf der anderen Seite gewaltigen Berglandschaften, acht National Parks, atemberaubenden Seen, Schluchten, rauen Küstenabschnitten, natürlichen heißen Quellen und unfassbar schönen Klettergebieten.

 

Während China wohl immer noch der Ansicht ist, Taiwan würde irgendwie zu China gehören, verwaltet sich das Land absolut eigenständig und viele Taiwanesen fühlen sich, trotz chinesischer Abstammung, zumindest kulturell Japan wesentlich näher als China … so ganz scheint der Status Taiwans also noch nicht geklärt zu sein.

 

Bereits in den ersten Tagen, tauften wir diese vielseitige kleine Insel (u.a. wegen der auffallenden Sauberkeit) liebevoll „Europa mit chinesischen Schriftzeichen“…

Neben dem unschlagbar leckeren Essen, ist aber die Freundlichkeit der Taiwanesen das absolute Highlight unserer Reise. Auch wenn wir schon des Öfteren, wie zuletzt in Myanmar, die Gastfreundlichkeit der Einheimischen beschrieben haben, die Taiwanesen wissen trotz allem erneut zu überraschen - und sollen (wie auch immer das wohl untersucht wurde?!) neben den Japanern die freundlichsten Menschen der Welt sein.



Auf den ersten Blick wirken die Menschen hier dabei nicht wirklich extra nett, sondern manchmal sogar eher zurückhaltend und wortkarg. Doch kommt man näher mit ihnen in Kontakt, ist man von deren Freundlichkeit und liebenswürdiger Art schier begeistert und nicht selten fühlt man sich durch das extrem aufmerksame und hilfsbereite Verhalten schon fast beschämt.

Das fingt schon damit an, dass Bao uns unbedingt um 1:00 Uhr nachts vom Flughafen in Taipei abgeholen wollte - der ca. drei Autostunden von ihrem Wohnort entfernt liegt - und sie sich dafür auch noch ein Auto von einem Freund leihen musste, obwohl wir ihr mindestens 100 mal versicherten, dass wir ohne Probleme auch den Bus nehmen würden.

 

Natürlich nahmen wir nicht den Bus, kamen mit dem Auto pünktlich zum Frühstück bei Baos Mutter in Meishan an und verbrachten - leider ein wenig erkältet - 5 fantastische Tage im Süden Taiwans, besuchten Baos Familie (... und Freunde der Familie), lernten eine Menge über Tee, probierten traditionelle Heilmethoden (aua!!), machten Lagerfeuer am Strand, badeten in natürlichen heißen Quellen, und, und, und …



 

 

... das in dem "kleinen" Glas ist übrigens selbst gemachter Beeren-Wein!

 


Zudem hatte Bao für uns den Kontakt zu einem befreundeten Pärchen hergestellt, die momentan eine Unterkunft für Kletterer hier in Long Dong renovieren und die für ihre „Übergangswohnung“ noch zwei Mitbewohner suchten. Durch unsere neuen Mitbewohner - zwei Semi-Locals aus Singapur - und Bao wurden wir in kürzester Zeit allen möglichen Leuten vorgestellt und waren binnen weniger Tage Teil der lokalen Kletterszene.

 

Anders als in anderen Klettergebieten, wird der Gemeinschaftsgedanke hier wirklich noch gelebt. Es quatscht hier direkt jeder mit jedem und macht sich unter einander bekannt, an verregneten Wochenende, an denen es nicht möglich ist zu klettern, trifft man sich mit allen abends zum Essen oder verbringt den Tag anderweitig miteinander. Die meisten Kletterer wohnen ca. 30-90 Minuten vom Klettergebiet entfernt. Wurde sich anstatt am Felsen im 60 km entfernten Taipeh getroffen, haben alle überlegt, wie wir zwei den am besten auch dorthin kommen können und noch bevor wir uns die Bus oder Zugverbindung raussuchen konnten, war immer schon irgendwer mit dem Auto zu uns unterwegs, um uns abzuholen.

 

Die Taiwanesen schenken laut eigener Aussage einfach sehr gerne und es macht sie glücklich anderen eine Freude zu machen. Für uns war es ehrlich gesagt, fast schon unangenehm mit welcher Selbstverständlichkeit sich um uns gekümmert wurde, sei es uns mit dem Auto überall hin zu bringen, abzuholen oder vegetarische Snacks für uns mit zum Fels zu bringen. Letzte Woche haben wir jemanden gefragt, wo wir eins dieser kleinen buddhistischen Räucherdöschen kaufen können und einen Tag später haben wir A-Lang ("DIE Kletterlegende" Long Dongs) mit einem Geschenk für uns in der Hand getroffen. Und dreimal dürft ihr raten, was da wohl drin war … !

 

Nach all den für uns so berührenden Freundlichkeiten wollten wir uns unbedingt bei ihm und einigen anderen revanchieren und schlugen einen europäischen Kochabend vor. Alle waren direkt begeistert, eine weitere Freundin stellte uns ihre Küche (die einzige mit Ofen) zur Verfügung  und so fing für uns das Shopping-Abenteuer an.

 

Genaugenommen fing das Abenteuer schon mit der Frage: „Was wollen wir überhaupt kochen?“ an. Es sollte etwas Besonderes sein, aber natürlich auch im Rahmen des Machbaren, bzw. Kaufbaren liegen ... und es sollte schnell vorzubereiten sein, denn wir wollten ja alle vorher noch zusammen klettern gehen ...

 

Unseren ersten Plan - eine vegetarische Lasagne - gaben wir bald wieder auf und wollten schließlich, neben einem relativ gut vorzubereiteten mediterranen Nudelsalat und gutem Wein, eine Beerenpizza à la Gonda backen. Pizzateig ausrollen, Nougat und Beeren drauf, ab in den Ofen, fertig … dürfte ja nicht so schwer sein. (Dachten wir!)

Da es leider in Taipeh keinen fertigen Pizzateig  gibt und das backen mit Hefe zeitlich nicht in Frage kam, mussten wir uns im Internet erst einmal ein einfaches Teigrezept (mit Backpulver) raussuchen. Die Nougatcreme (gab es auch nicht zu kaufen) ersetzten wir durch eine geschmolzene Tafel Schokolode vermischt mit einem ganzen (!) Pott Erdnussbutter (hao chi = meeega lecker ! - würden die Taiwanesen jetzt sagen ...) und den Belag improvisierten wir mit Bananen, Trauben, Gojibeeren und Trockenobst, da es leider auch keine Beeren zu kaufen gab.


 

 

Das Küchenpersonal bei der Qualitätskontrolle.

 


Genau betrachtet, mussten wir also das ganze Rezept austauschen - was uns aber ganz gut gelungen zu sein scheint. Zumindest waren beide Backbleche am Ende des Abends leer! …. Das Highlight des Abends war aber neben dem „endlich wieder in einer großen Küche selber kochen können“ und dem köstlichen Essen, der Geburtstag von Jingzu.



 

 

In Taiwan werden die Geburtstagstorten höflich mit einem Fragezeichen, anstatt mit der Anzahl der Jahre dekoriert!

 


Jingzu den wir bereits im Süden Taiwans kennengelernt haben und der es sich offensichtlich zur Aufgabe gemacht hat, jedes Mal wenn wir uns treffen, uns Berge von vegetarischen Köstlichkeiten mitzubringen, ist uns mit seiner herzigen Art besonders ans Herz gewachsen. Als ganz persönliches Geschenk haben wir ihn an diesem Abend in den erlesenen Kreis der Spandex-Freunde aufgenommen … ;-)



Wenn dann doch mal wieder die Sonne einkehrt, geht’s natürlich direkt ab zum Fels, der glücklicherweise aufgrund der starken Seebriese extrem schnell abtrocknet. „Long Dong“ ist das größte Klettergebiet Taiwans und liegt ca. 60km nordöstlich der Hauptstadt Taipeh unmittelbar am tosenden Wasser und bietet atemberaubende Ausblicke auf das raue Meer, die teilweise meterhohen Wellen und die für hier typischen Steinformationen.




Die hiesigen Felsen bieten über 600 Kletterrouten, inklusive Sportkletterrouten vom 4. bis zum beginnenden 8. Franzosengrad, Trad-Kletterrouten, DWS und selbst einige Boulder. Der Stil der Kletterei ist definitiv weniger kraftvoll, dafür sehr technisch und erfordert eine Menge Bewegungserfahrung und Präzision, Balance und Vertrauen in seine Füße. Neben viel Risskletterei (meistens Trad), findet man jede Menge kleinleistige Wandkletterei, sloprige Kanten und verdammt hart zu knackende Dächer. Die Kletterei an extrem kompakten Sandstein mit exzellenter Reibung unterscheidet sich stark von anderen Gebieten in Asien, die größtenteils aus Kalk bestehen. Die Kletterei macht uns extrem viel Spaß und ist ein gnadenloser Lehrer in Sachen Mut zu unumkehrbaren Balanceakten, ungewohnten Bewegungsmustern und Fußtechnik.






 

 

Kelly und Saskia beim Ausgleichstraining.

 


Neben Long Dong gibt es aber noch eine Reihe mehrerer kleinerer Klettergebiete im Südwesten und einem Bouldergebiet im Osten der Insel. „Dapaoyan“, eines der ältesten Klettergebiete Taiwans findet man im Yangmingshan National Park, wenige Kilometer nördlich Taipehs. Seit einiger Zeit ist das Klettern dort allerdings strengstens verboten und mit hohen Geldstrafen versehen, was die meisten Kletterer aber nicht sonderlich zu interessieren scheint.



Wir hatten das Glück, dass Bao, Jingzu und "die Legende" (nachdem uns A-Lang ehrfürchtig so vorgestellt wurde, haben wir ihn einfach auch weiterhin so genannt) uns an einem verregneten Tag in Long Dong mit dorthin genommen haben. Die Kletterwände sind lediglich sechs bis acht Meter hoch (würden also quasi noch als Highball durchgehen) und müssen aufgrund fehlender Bolts im Toprope geklettert werden. Auf den Felsköpfen befinden sich glücklicherweise noch jeweils zwei Klebehaken, mit denen man problemlos einen Umlenker bauen kann. Die ausschliesslich aus kleinsten Leisten bestehende Kletterei ist noch spezieller, als in Long Dong und die harte Bewertung schlägt sogar die im Ith.



 

 

... was war hier doch gleich verboten ???

 


Da die rauhe Küstenlage leider auch recht unbeständiges Wetter mit sich bringt, freuen wir uns um so mehr, dass die Wettervorhersage für unsere letzte Woche in Taiwan (nach einer erneuten Woche Dauerregen) endlich wieder Sonnenschein verspricht und wir wieder klettern gehen könnnen!

 

Tja, und nächste Woche werden wir versuchen für unsere taiwanesischen Freunde Apfelkuchen zu backen. Irgendwie müssen (wollen!!) wir uns ja wenigstens ein bißchen revanchieren!

 

 

... und am 5. April geht es dann über Hong Kong wieder nach China. Eigentlich hätten wir Hong Kong gerne gemieden, aber da in der "Republik China auf Taiwan" (so lautet die offizielle Bezeichnung Taiwans!) das Visum für Festland-China für uns 5 mal (!) so teuer ist wie sonst, bekommt Hong Kong "zwangsläufig" noch eine zweite Chance.

 

Wir lassen uns einfach mal überraschen und halten euch auf dem Laufenden!