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Bouldern in Manali

Nachdem wir uns bei unserer ersten Indienreise entschlossen haben, das weltbekannte Bouldergebiet Hampi - zu Gunsten der unzähligen Sandsteinfelsen in Badami  - links liegen zu lassen, sollte es jetzt endlich soweit sein: Nach dem Besuch etlicher Sport - und Trad-Kletter Destinationen wollten auch wir endlich einmal bouldern gehen! Und zwar im viel gelobten Bouldergebiet rund um Manali im Bundesstaat Himachal Pradesh.

 

Dabei stellte es sich als überraschend schwierig heraus, im Vorhinein an wirklich brauchbare Informationen zu kommen. Beschreibungen im Internet waren so gut wie nicht vorhanden und alle von uns angeschriebenen Facebook-Seiten, die die Worte „Bouldern“ und „Manali“ in ihrer Überschrift hatten, glänzten leider - ebenso wie die Ansprechpartner der eigentlich professionell wirkenden Seite climbingindia.com - damit, unsere Kontaktbemühungen einfach völlig zu ignorieren. So blieb uns zur Vorbereitung unseres Trips nur die Aussage eines Engländers, den wir in Thailand kennengelernt hatten (Info-Zitat: “ Ja, ist super da - lohnt sich!“) und zwei kürzere Blogbeiträge, die uns zumindest schon einmal eine Idee davon vermittelten, wo die Bouldergebiete überhaupt liegen und wo wir uns für die Zeit dort ein Crash-Pad ausleihen können.


 

 

The "City" of  Vashisht.


Manali hat sich in den letzten 25 Jahren - vor allem durch die politisch schwierige Situation in den weiter nördlich gelegenen Grenzgebieten - zu einem der wichtigsten (vorgelagerten) Anlaufpunkte für alle entwickelt, die in irgendeiner Art und Weise die unwegsame Landschaft des Nordens bereisen und erleben wollen. Allen auf dem Landweg reisenden Wanderern, Rad - und Motorradfahrern, Kletterern, Bergsteigern und  Kanufahrern bietet Manali eine vergleichsweise bequeme Infrastruktur, um noch einmal Proviant und Informationen zu besorgen oder die organisatorischen Dienste einer der vielen Outdoor-Veranstalter in Anspruch zu nehmen.

 

Die 20 stündige Busfahrt von Leh nach Manali verlief überraschend angenehm und das Natur- und Landschaftskino, welches sich die ganze Fahrt vor dem Busfenster abspielte, ließ die Stunden wie im Flug vergehen. Zwar war die Straße fast durchweg einspurig, größtenteils ungeteert und einige Male von breiten Flüssen durchbrochen - unser Fahrer (der die 20 h beinahe pausenlos am Steuer saß!) meisterte unsere Fahrt jedoch sehr souverän und fuhr extrem vorsichtig und vorausschauend.


 

 

Der Manali-Leh-Highway


Unser Bus musste den zweit- und dritthöchsten motorisiert befahrbaren Pass der Welt überqueren und so wechselten sich die Landschaften zwischen fruchtbaren Tälern, Schneefeldern und Steinwüsten ab, bis wir das wunderschön grüne, in dichte Tannen Wälder eingebettete Manali erreichten. Das etwa 2000 m hoch gelegene Örtchen, welches zudem weiterhin von Bergen und Schneegipfeln umrahmt ist, gibt einem unmittelbar das Gefühl, sich im indischen Schwarzwald oder der indischen Schweiz zu befinden. Auch die teilweise noch zu findenden kleinen Hütten mit hölzernen Verzierungen, die einsam auf den grünen Hängen stehen, passen perfekt in diese Landschafts-Assoziation.



Der Ort Manali selbst besteht aus den Stadtteilen Neu- und Altmanali und das Örtchen Vashisht grenzt so nah an, dass es im allgemeinen Empfinden schon eher einen weiteren Stadtteil, als einen eigenen Ort darstellt.

 

Glücklicherweise haben wir uns mit Vashisht den ruhigsten und gemütlichsten Teil Manalis als Wohnort ausgesucht. In den ersten Tagen waren wir ziemlich überrascht, dass schon morgens die Cafés mit westlichen Touristen gefüllt sind, die sich in aller Seelenruhe - und aller Öffentlichkeit - ihre Haschischpfeife stopfen oder riesige „Tüten“ bauen.  Dieses Bild veränderte sich auch im weiteren Tagesverlauf kaum ...


 

 

... es ist auch kein Wunder, das hier alle nur rumhängen - wo das Zeug doch an jeder Häuserecke wächst ... ;-)


Um sich vom vorherigen Reisestress zu erholen, ist man in den verhältnismäßig ruhigen Tea-Stalls, Ayurvedabehandlungen oder Yogakursen in Vashisht - ideal aufgehoben. Und um ehrlich zu sein, haben wir noch nie zuvor, sich sooo mühelos flexibel bewegende Menschen gesehen, wie dort! … Auch dieser Teil Manalis ist natürlich mittlerweile größtenteils touristisch geprägt, dennoch findet man hier noch Oasen der Stille, viele Einheimische und zudem einige der von uns heiß ersehnten Boulderblöcke!



Einen Kletterführer für Manali gibt es (noch) nicht - dafür aber eine ansehnliche lose Blattsammlung mit Skizzen und Wegbeschreibungen ...



Sowohl in Altmanali wie auch in Vashisht und Aleo (2 km von Manali entfernt) gibt es genug Boulderprobleme zu lösen, um einen für mehrere Tage zu beschäftigen, springt man jedoch morgens in den öffentlichen Bus und fährt ins 13 km entfernte Solang, findet man weitere zahlreiche Boulder sonnengeschützt im Wald, sowie der Sonne ausgesetzt auf einem schnell abtrocknenden baumfreien Plateau weiter oberhalb.

 

Unser Ziel aber war ganz klar: Chatru!

 

Chatru liegt 80 km, also 6 Auto-Stunden (indische Passstraßen ;-)) von Manali entfernt, soll Hampi in wirklich nichts nachstehen und Boulderpotential für Monate haben. Und wenn einem selbst das nicht genügt, gibt es nochmal so viele Probleme in Kyara (keine Stadt, sondern nur ein isoliertes riesiges Boulderfeld) und Chota Dara (beides etwa 20 km weiter östlich von Chatru), damit sollten selbst die stärksten Boulderer eine Weile beschäftigt sein!

 

Wir hatten zudem das Glück, dass wir durch unseren Ladakh Aufenthalt schon etwas akklimatisiert sind, denn Chatru liegt in alpinem Ambiente auf stolzen 3600 Höhenmetern - was das kleine Örtchen, das nur aus ein paar Häusern, einem Restaurant und Tea-Stall besteht - landschaftlich unwahrscheinlich attraktiv macht. Auf den Fotos im Kletterladen bekamen wir dann einen ersten Vorgeschmack auf die Boulderfelder, die von Flüssen durchkreuzt und Schneegipfeln umzingelt sind, und wirklich in der Mitte von Nirgendwo zu liegen scheinen.

 

Man hat dort entweder die Möglichkeit mit dem Besitzer zusammen im Tea-Stall zu übernachten,  kann aber auch Zelt und weiteres Equipment für wenig Geld in Manali mieten und sich seinen eigenen Schlafplatz in bester Lage selbst aussuchen. So mieteten wir ein Crashpad und Schlafutensilien und kauften voller Vorfreude unsere Tickets im Shared- Jeep. Aufgrund der noch zu schlechten Straßenverhältnisse und zu engen Straßen war der Busverkehr nämlich bis auf weiteres eingestellt.

 

Doch anstatt kniffliger Boulder bekamen wir in der folgenden Nacht ganz andere Probleme … Wir wollen euch die Details ersparen, aber in den kommenden vier Tagen war die Toilette und der Eimer davor, von jeweils einem von uns dauerbesetzt und es machte sich dieses Mal wirklich bezahlt schon mal im Krankenhaus gearbeitet zu haben. Da die Rezeptpflicht hier bei weitem nicht so streng zu sein scheint wie in Deutschland, fuhren wir - sobald wir dazu in der Lage waren - zum „shoppen“ zur Apotheke, besorgten uns 2 Liter Infusionsflüssigkeit und forcierten ein wenig unsere Genesung.


 

 

Außenbereich der örtlichen "Reha-Klinik" Green Garden Café.

 


Die uns anschließend fehlende Zeit und der einsetzende Regen machten uns, nachdem wir wieder halbwegs auf den Beinen waren, dann zuweilen den zweiten Strich durch die Boulder-Rechnung!

 

Trotz alledem weiterhin hoch motiviert die Gegend rund um Manali zu erkunden, trotzten wir wo es nur ging den uns plagenden Manali-Trias* und streiften mit unserem Crashpad durch die umliegenden Hänge!

 

(*Siehe auch - Pschyrembel: "Manali-Trias" - Def: Situativer Komplex, der engagierten Boulder-Ambitionen entgegen steht; Sympt: Dehydration - Fieber - Monsun; Komplikationen: Unruhe, Gereiztheit, Schwächegefühl; Behandlung: Symptomatisch; Erstbeschreiber und Namensgeber: Wir! ...)





Vom wieder einsetzenden Dauerregen zu erneutem Nichtstun gezwungen, gingen wir beide erst einmal zum Frisör. Auf die Nachfrage, ob wir auch eine Kopfmassage möchten, nickten wir zwei und bekamen dann wohl die verrückteste Prozedur indischer Massagekunst, die wir je erlebt haben. Unsere Köpfe wurden in einer Geschwindigkeit durchgerüttelt, dass wir das Gefühl hatten, sie stecken in einer Waschmaschine, unsere Haare wurden von rechts nach links und wieder zurück gewirbelt, die Hände des Masseurs klopften so fest auf unsere Schädel, als ob er uns aus der Bewusstlosigkeit reißen (oder in sie hinein befördern) wollte. Aber die Krönung war die mindestens eine Minute andauernde Augenlidmassage, die sich so anfühlte, als wolle er ein Sandkorn aus unserem Auge holen wollen und das anschließende feste gleichzeitige Hineinstecken seiner Finger in unsere beiden Gehörgänge, um sie dann ruckartig wieder rauszuziehen.

 

Voila, fertig die Entspannung! Zum Glück hatten wir die Ganzkörpermassage zuvor abgelehnt …