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Am Anfang war der Bulli …

… na gut, davor gab es noch die Höhle, das Feuer und dann das Tipi. Und dann das Reisen mit Pferd und Zelt, also quasi eine frühe Steppen-Variante des Bullis. Dann wurde irgendwann das Rad erfunden, dann der Otto-Motor und dann … dann kam aber schon recht bald der Bulli!

 

Und selbst wenn manche Geschichtsexperten diese Entwicklung vielleicht etwas anders darstellen würden … sicher ist definitiv, dass es fast niemanden aus der Pionierzeit des Sportkletterns gibt, der/ die nicht mit einem Bulli von Kletterspot zu Kletterspot gezogen ist, um mit Freunden (oder zumindest Gleichgesinnten) irgendwo in der Pampa ein Camp zu bilden und dann, wenn es an der Zeit war wieder aufgebrochen ist, um sich (wahrscheinlich den Wetter- und Kletterbedingungen folgend) an einem anderen Ort erneut wieder nieder zu lassen. Die Kletterreise mit Bus ist also quasi so etwas wie der reine Ursprung, die Wurzel, aus der im Laufe der Zeit dann der Baum des Kletter-Lifestyles mit seinen farbenfrohen Blüten erwachsen konnte. Und aus gutem Grunde ist sie daher auch immer noch der Traum vieler Kletterer.



Ähh - nein! … Wir haben kein Marihuana beim Schreiben dieser Einleitung geraucht!

 

Aber ihr könnt jetzt bestimmt erahnen, was uns dazu bewegt hat, 6 gelbe Quadratmeter auf Rädern für die nächsten 3 Monate zu unserem Zuhause zu machen!



Nachdem wir Mitte November, noch in der Türkei, unverhofft einen Bus von einem deutschen Pärchen abgekauft haben, konnten wir unsere neue Eigentumswohnung rasch nach unserer Heimkehr, nach Köln überführen.

 

Ein paar Schönheits- und Dekorationsarbeiten später erstrahlte „der große Gelbe“ in voller Schönheit und wir fuhren zum Straßenverkehrsamt, um ihn taufen zu lassen. Im Anbetracht seiner kulturellen Wurzeln fiel die Namensgebung nicht schwer und nachdem Weihnachten, Sylvester und die Tauffeierlichkeiten überstanden waren, zogen wir mit Erkan endlich los in Richtung Spanien.



Unser Ziel war das Örtchen Chulilla in der Nähe von Valencia. Schon in den 80er Jahren wurden hier die ersten Sektoren erschlossen und seit einiger Zeit gelangen die Felsen rund um Chulilla zu erneuter (stetig steigender) Popularität. Ehrlich gesagt hat dieser Ort von Menschen, die wir auf unseren Reisen getroffen haben, so viel Vorschusslorbeeren erhalten, dass wir schon Bedenken hatten, ob das kleine Örtchen unseren hohen Erwartungen überhaupt standhalten kann.

 

Die erste spannende - und für uns essentielle - Frage war jedoch: Was ist mit diesem Parkplatz, auf dem angeblich alle Kletterer mit ihren Bussen stehen? Gibt es ihn noch? Wird es weiterhin toleriert dort einfach so zu stehen? Ist der leicht zu finden?

 

Fragen über Fragen ... die allerdings sehr schnell beantwortet waren!



Wir hatten kaum das Ortsschild passiert, da sahen wir einen großen Parkplatz, auf dem zwar auch einige Leute ihr Auto abgestellt hatten, hauptsächlich standen dort jedoch umgebaute Kleinbusse, einige Wohnmobile und haufenweise Campingmöbel … und die in Sichtweite aufragenden Felsriegel ließen keinen Zweifel daran, warum all diese Busse dort standen.

 

Die Herkunft der Busse und deren Besitzer ist bunt gemischt: Spanien, England, Schweden, Norwegen, Deutschland, Österreich, Schweiz, Polen, Slowenien, Frankreich … fast alle Länder, die annähernd bequem mit dem Auto erreichbar sind, sind dort vertreten.  Eine erst vor kurzem eröffnete Bar direkt gegenüber dem Parkplatz, hat sich bereits als täglicher Treffpunkt etabliert und garantiert die reibungslose Versorgung mit Kaffee, Snacks  und Bier. Zudem ermutigt sie alle - um die Umwelt zu schonen - zur kostenlosen Benutzung ihrer Toiletten, und leistet damit einen wichtigen Beitrag zur Infrastruktur des „Camps“.



Chulilla selbst ist ein kleines idyllisch gelegenes Dörfchen mit gerade einmal knapp 680 Einwohnern, zwei kleinen Lebensmittelgeschäften, drei Cafes und zwei Restaurants - die allerdings ausschließlich freitags und samstags geöffnet haben. An Wochenenden scheint das Dörfchen aus seinem Dornröschenschlaf zu erwachen und auf dem Marktplatz tummeln sich haufenweise Wanderer aus den nahe gelegenen Städten, die zum Ausgleich ein wenig Natur suchen und durch die wunderschöne Schluchtenlandschaft wandern oder die antiken Kirchen und Burgen besichtigen.

Auch am Felsen und dem Bulli-Parkplatz merkt man dann ein deutlich höheres Aufkommen an Kletterern. Die Anzahl der Menschen flacht dann sonntags nachmittags wieder ab und man teilt sich das kleine Örtchen nur noch mit den paar anderen Kletterern und den hier fest lebenden Spaniern, die stets freundlich grüßen und einem zu jeder Zeit das Gefühl geben, als kletternde Bulli-Nomaden in ihrem Dörfchen willkommen zu sein.

 

Dieses Wochenende hatten wir sogar das Glück ein kleines Festival im nächstgelegenen Dorf mitzuerleben. Dort erwarteten uns kleine Gassen voll mit Menschen, Bars und Cafes vor denen riesen Lagerfeuer brannten, allerlei tolle Verkaufsstände mit selbst angefertigtem Schmuck oder Lebensmitteln wie Marmeladen, Saucen oder Brot, Musiker und haufenweise Artisten, die alle zusammen gequetscht auf dem Marktplatz jonglierten, Einrad fuhren, mit dem Diavolo tricksten oder Acro-Yoga praktizierten. Neben einer großen Feuershow gab es dann abends noch ein Konzert von lokalen Künstlern und Spanienweit bekannten „Größen“.

 

Nach einem stärkenden Frühstück im Bulli, Kaffee in der Bar oder auf dem Parkplatz mit anderen zusammen geht’s dann meistens ab zum Klettern. Das Wetter ist momentan perfekt, tagsüber zwischen 16 und 20 Grad lässt es sich in den Ost- und sogar Nordwänden gut aushalten und die Kletterbedingungen im Schatten sind nahezu unschlagbar. Um Chulilla herum gibt es tausende Routen an meist eher vertikalen bis minimal überhängenden Wänden, was oft eher die Technik anstelle von roher Kraft fordert.



Allerdings wird meistens auch Ausdauer verlangt, denn die Routen sind selten unter 30m und wir sind heil froh, dass unser 80m Seil noch nicht gekürzt werden musste und wir ausreichend Exen dabei haben. Einige der Kletter-Sektoren liegen sehr nah am („Camp“-)Parkplatz, andere erfordern wiederum eine kurze Autofahrt oder eine 30 minütige, wunderschöne Wanderung durch die Schlucht. Die älteren Routen wurden weitestgehend saniert und es kommen stetig neue dazu …

 

 

Zusammenfassend kann man sagen, dass Chulilla ein extrem schöner Ort zum Verweilen und Bleiben ist, und wir genießen gerade die Kletterei, die Sonne und die Menschen um uns herum. Freunde aus der Schweiz, die wir in Laos kennen gelernt haben und ein schwedisches Pärchen, welches wir aus China kennen sind jeckerweise auch gerade hier und so schließt hier mal wieder sich der Kreis der Kletter-Reisenden.

 

Manchmal ist die Welt - trotz ihrer enormen Weite - halt doch klein.




 

 

… ihr habt immer noch kein Hippie-Feeling bekommen?

 

Guckt ihr hier!