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Reisen wir nach Kuba und suchen das Unmögliche …*


… bereits zum wiederholten Male markiert einer von uns die zuvor getippten 1,5 Din A4 Seiten und drückt auf die „Löschen-Taste“.

 

Ein erneuter gescheiterter Versuch eine Einleitung zu schreiben, die mit Blitzlichtern auf die ideologische Zerrissenheit innerhalb der kubanischen Gesellschaft, die Emotionen des Umbruchs und die beinahe erschlagende Fülle an Informationsschnipsel über Geschichte und Gegenwart Kubas einen Einstieg in den Mythos um Che Guevara und den ehemaligen Revolutionsführer und späteren Diktator Fidel Castro  gibt - und …  darauf neugierig macht, ein paar Blicke hinter die (marode) Kulisse zu werfen!



Denn warum sagen eigentlich alle, dass man jetzt unbedingt noch nach Kuba reisen muss? Der Untergang Kubas wurde schon so oft vorhergesagt, dass sich dieser Ausspruch schon fast zu einem „Running Gag“ der Reiseliteratur entwickelt hat. Trotz einer nun schon über 50 Jahre andauernden (ab 1992 (!) von der UN regelmäßig als Verstoß gegen das internationale Handelsrecht verurteilten) wirtschaftlichen Blockade Kubas durch die USA, Intrigen, Mordversuchen und Unterstützung von Regimegegnern durch die CIA, hat Fidel Castro 11 amerikanische Präsidenten (politisch) überlebt und besitzt - zumindest in Teilen der Bevölkerung - immer noch Kultstatus.

Oder ist es vielleicht etwa schon lange "zu spät", für einen romantischen Ausflug in das kleine „gallische Dorf“, das so eisern gegen die feindliche Einflussnahme Widerstand geleistet hat?



Mit Barack Obamas Besuch hat das erste Mal seit 88 Jahren, wieder ein amerikanischer Präsident einen Fuß auf die Insel gesetzt und ausgerechnet Karl Lagerfeld ließ für seine neue Kollektion Top-Models wie Gisele Bündchen auf frisch polierten Oldtimern in den herunter gekommen Straßen Havannas posieren - und schwenkt dabei das Rampenlicht (wahrscheinlich eher ungewollt) auf ein weiteres Stück kubanische Gegenwart:

 

Der ehemalige Erzfeind der kapitalistischen Industrienationen ist zum Popstar geworden!

 

Nichts desto trotz vermag Kuba weiterhin politisch zu polarisieren, wie vielleicht kaum ein anderes Land! Der Befreiung Kubas vom USA-treuen Militärdiktator Batista  (der übrigens im Jahr vor seinem Sturz noch den Verdienstorden der BRD erhalten hat) und den - trotz wirtschaftlicher Schwierigkeiten und materieller Mängel - beachtlichen Erfolgen bei der Alphabetisierung und gesundheitlichen Versorgung stehen u.a. die Kritik am totalitären Einparteiensystem Castros und die Verletzung von Freiheitsrechten gegenüber.

 

Gründe genug also sich treiben zu lassen und dabei zu versuchen möglichst viele und konträre Sichtweisen auf das Leben und die Menschen hier zu erhaschen. Einen umfassenden Blick auf den Alltag in Kuba zu bekommen ist in 2 Wochen Reisezeit zwar definitiv unmöglich - was aber nicht heißt, dass man nicht doch versuchen kann seine Erwartungen und Vorurteile beiseite zu schieben, um einfach mal „zu spüren, was hier gerade passiert“ … und mit ganz viel Glück vielleicht sogar ein kleines bisschen davon zu verstehen!

 

 

Sehnsüchtig haben wir auf diesen Moment gewartet: Als wir aus der Kälte des Flugzeugs in die tropische Hitze des Flughafens in Havanna wechselten überkam uns direkt wieder das  wohl bekannte „… es riecht nach reisen“ Gefühl. Genau genommen war der erste Geruch, den wir nach dem Verlassen des Flugzeugs wahrnehmen konnten, zwar die nach Schimmel miefende „Immigration Hall“ des Flughafens und darauf folgend die schwüle, nach Abgasen riechende Luft vor dem Gebäude. Aber auch diese Geruchsfetzten (ebenso wie die, nach leckerem Essen oder Meeresluft) sind Nuancen des - einen ständig umgebenen - Reiseparfums und dank der Frischluft, die uns auf der Fahrt in die Innenstadt durch das offenen Fenster, den Wind ins Gesicht blies und die Haare zerzauselte, waren wir direkt wieder im „Reise-Flow“ …



Zusätzlich zu den „gewöhnlichen“ Taxis gibt es in Kuba verschiedene Formen „privater“ Taxis. Diese Taxis sind in der Regel Oldtimer in mehr oder (meistens) weniger gutem Zustand, mal mit und mal ohne Taxi-Schild und werden für uns Weißbrote meist unter dem Namen „Taxi Collectivo“ zusammengefasst. Während einige dieser „Taxi Collectivos“ eher eine den Touristen vorbehaltene Art der Fortbewegung für weitere Strecken sind, dienen andere vor allem den Einheimischen zum innerstädtischen Transport, indem sie auf festen Routen zwischen zwei Punkten hin und her fahren und auf dieser Strecke Menschen ein und aussteigen lassen.

 

Die entscheidenden Punkte bei diesen Taxen sind, das man erstens in der Lage sein muss, sie aus der Masse der übrigen Oldtimer heraus zu identifizieren und dass man zweitens die „Codewörter“ für die Halteorte kennen muss!

 

Gewillt die angeblich beste Eisdiele Havannas mit einem ebensolchen Taxi aufzusuchen, machten wir uns auf den Weg zum Capitolio. So ganz schlüssig erschien uns die Anweisung unseres Hostel-Besitzers zwar nicht, sollten wir uns doch einfach an die Strasse stellen und auf das Capitolio zeigen (er machte uns dieses vor, indem er leicht wippend nach rechts oben in die Luft zeigte!) … aber mit ein wenig Glück würde sich das ganze schon erklären, wenn wir erst einmal dort sind.

 

Am Capitolio angekommen erklärte sich allerdings erst einmal gar nichts, und so fiel uns nichts Besseres ein, als die Stelle auf dem Bürgersteig zu suchen, von der aus man nach rechts oben zeigend auf das besagte Gebäude deuten würde. Und siehe da: an eben dieser Stelle stand bereits ein Einheimischer und streckte mit einem erstklassischem Nightfever-Move solange seinen Zeigefinger in Richtung Capitolio, bis eines der begehrten Gefährte anhielt um ihn einsteigen zu lassen.

 

Erstaunlicher Weise bescherte dan auch uns der „Nightfever-Move“ recht schnell einen Platz in einem Taxi Collectivo und so waren wir schon wenig später unterwegs Richtung Eisdiele „La Coppelia“.

 

Dort angekommen überquerten wir gerade, in voller Vorfreude auf unser Eis, den Vorplatz des Areals auf dem sich die Eisdiele befindet, als wir von einem Wachmann angehalten wurden und nach der Währung gefragt wurden, mit der wir zahlen würden.

 

[Kurze Exkursion: In Kuba gibt es zurzeit zwei Währungen. Den Einheimischen Peso, auch CUP  genannt und den sogenannten Peso Convertible, auch CUC genannt. Der Wechselkurs ist aktuell 25 CUP = 1 CUC. Der CUC ist an den Dollar gebunden und die übliche Währung für Touristen und viele Importwaren. Trotz der Möglichkeit die Währungen im Land gegen einander zu tauschen, manifestiert der unterschiedliche Gebrauch dieser Währung im Alltag eine Form der Zwei-Klassen-Gesellschaft. Während man z.B. in sogenannten Peso-Restaurants landesüblich preiswert essen kann, akzeptieren viele „gehobenere“ Restaurants und Geschäfte nur CUC. Für die kubanische Bevölkerung ist der Besitz von CUC daher die einzige Möglichkeit bestimmte Waren zu erwerben und deutet gleichzeitig auf einen gewissen „Wohlstand“ hin. Besonders tragisch ist dabei, dass viele gut ausgebildete Akademiker ihren in CUP entlohnten Beruf aufgeben, um (z.B. als Taxi-Fahrer) im Tourismusgewerbe zu arbeiten, da der dortige Verdienst in CUC ihren bisherigen Lohn um ein vielfaches übersteigt.]

 

Als wir antworteten, dass wir in CUP (also der lokalen Währung) zahlen werden, deutete der Wachmann auf eine Warteschlange Einheimischer, die sich mindestens 100m von der Eisdiele entfernt aufreihte. Hätten wir in CUC  bezahlen wollen, wären wir vermutlich direkt reingelassen  worden - so jedoch standen wir mit den Einheimischen in der Warteschlange und warteten darauf, endlich an der Reihe zu sein (was in dem Fall so viel bedeutete, wie überhaupt erst einmal in das Gebäude zu kommen!)

 

Als es endlich losging, stellten wir fest, dass es in der Eisdiele verschiedene Areale gab - ein Areal für diejenigen, die in „harten Devisen“ (= CUC) zahlen konnten (oder wollten) und eines für diejenigen, die mit kubanischen Peso bezahlten. Dort nahmen wir unseren zugewiesenen Platz ein, lehnten wir uns entspannt zurück, halfen mit Hilfe unseres Übersetzers auf dem Handy noch einer Familie bei den Französisch-Hausaufgaben und genossen schließlich unser wohl verdientes Eis … und zahlten dafür den „normalen“ Preis: 1 Peso (= 4 Cent) pro Kugel!

 

Da es keine Preisschilder gab, konnten wir leider nicht herausfinden, was das Eis im CUC-Bereich gekostet hätte … vermutlich jedoch deutlich mehr!

 

 

Über das sehr schöne Örtchen Las Terrazas, ging es für uns mit dem Viazul Bus weiter ins Valle de Vinales. Mit lokalen Transportmitteln weite Distanzen zurückzulegen (eigentlich ja mit der „größte Spass“ am Reisen in fernen Ländern), gestaltet sich in Kuba leider nicht gerade einfach - einige Busse sind für Touristen nicht erlaubt, Züge brauchen mindestens doppelt so lange und fahren zudem oft nicht jeden Tag, so dass Taxi Collectivos (die oft nicht teurer als die Viazul-Busse sind) nicht selten das beste Preis - Zeit - Verhältnis bieten. Findet man für bestimmte Strecken kein solches Taxi, muss man als Reisender leider recht häufig auf den Viazul Bus zurückgreifen, mit dem meist nur Touristen oder selten auch Devisenstärkere Kubaner reisen - und wir mussten unsere gewohnten Fahrten in übervollen klapprigen „Einheimischen-Bussen“ leider auf kürzere Strecken begrenzen.




Das landschaftlich wunderschöne, mit Karstbergen durchzogene Tal, hat uns mit seinem roten Lehmboden irgendwie an Laos erinnert - und kann sogar ebenfalls mit einem Klettergebiet aufwarten (allerdings auch mit deutlich mehr  Touristen). Zwar haben wir uns dieses Mal bewusst dazu entschieden ohne Klettersachen zu reisen, haben dies aber beim Anblick der Felsen erst einmal bereut. Zur Kletterei können wir daher nicht viel sagen - unsere Trauer wurde jedoch deutlich abgeschwächt, als uns einige Kletterer berichteten, dass es ohnehin deutlich zu warm zum Klettern sei und die zahlreichen Moskitoangriffe, würden das Vergnügen, sich aus allen Poren schwitzend die Wand hoch zu arbeiten auch nicht gerade steigern.

 

Wer zum Klettern in Kuba gerne mehr Infos hätte, schaue hier:

cubaclimbing.com

 

Anstatt also unseren Bizeps brennen zu lassen, mussten unsere Pobacken bei einem vierstündigen Ausritt durch die einmalige Natur der Talebenen leiden. Für Ansgar war es die erste Tour auf dem Rücken eines Pferdes - eigentlich haben sich die beiden auch ganz gut verstanden, allerdings schien „Mojito“ (so war tatsächlich der Name des Pferdes!) nicht besonders viel auf Ansgars Reitkommandos zu geben.

Er schien an diesem Tag allgemein etwas unmotiviert zu sein (vielleicht hatte er ja am Vorabend ein paar der gleichnamigen Drinks zu viel … ;-), was aber zumindest schon mal die Gefahr senkte, einfach los zu stürmen und dabei evtl. seinen Reiter in einem der Büsche zu entsorgen …

 

 

Überraschend interessant war die Besichtigung der Zigarren-Fabrik in Pinar del Rio. Das rollen von Zigarren geschieht noch immer in traditioneller Handarbeit und erfordert ein hohes Maß an handwerklichem Geschick. Nur wer nach einem 9 monatigen Training die Abschlussprüfung besteht (was nicht jedem gelingt), darf anfangen in der Zigarrenherstellung zu arbeiten. Jeder Arbeiter rollt ca. 100 Zigarren pro Tag, die alle einzeln auf ihre Qualität hin überprüft werden. Dabei fallen gerade Mal ca. 1% der Zigarren durch die Qualitätsprüfung und müssen an den jeweilig zuständigen Arbeiter zurückgegeben werden!

 

Politisch interessant ist zudem, dass es in den meisten Zigarrenfabriken seit jeher jemanden gibt, der den Angestellten während ihrer Arbeit  aus der Tageszeitung oder aus Büchern vorliest. Durch diese seit 1866 bestehende Tradition sind die Arbeiter einer Zigarrenfabrik oft relativ gebildet und waren in der Geschichte Kubas schon häufiger der Ausgangspunkt von Kritik oder Aufständen.



In einer sehr rasanten Fahrt (der Taxi-Fahrer hat offensichtlich Bleifüsse gehabt, die er auf dem Gaspedal abgelegt hat) ging es nach Trinidad. Unsere Skepsis einen zu Unrecht „gehypten“, rein touristischen Verbindungspunkt zwischen dem Osten und Westen des Landes vorzufinden, legte sich bereits beim ersten Schlendern durch Trinidads wunderschöne Gassen. In das kleine Städtchen wurde im Gegensatz zu Havanna scheinbar deutlich mehr Geld in die Sanierung der alten Kolonialbauten und des gesamten Stadtbildes gesteckt.




Meist noch schöner als die Vorzeigebauten rund um den Placa Major und allemal lohnenswerter, ist allerdings der Blick in die vielen restaurierten Privatgebäude, die häufig dazu noch „Museumsgleich“ eingerichtet sind. Das Städtchen zeigte sich nachts zu unserer Freude noch stilvoller als am Tag und versprüht einen eigenen, ziemlich entspannten Charme. Besonders dann, wenn man seinen Mojito, Cuba Libre, Pina Colada oder was das Herz auch immer begehrt, auf den breiten Treppenstufen der Casa Musica schlürft und dabei genüsslich das Treiben um sich herum beobachtet.



Auf das musikalische Nachtleben freuten wir uns auch schon sehr bei unserem zweiten Aufenthalt in Havanna. Bei unserer Ankunft herrschte dort noch die insgesamt neuntägige Staatstrauer und im ganzen Land durfte (selbst über Radio und TV) keine Musik gespielt werden und es war offiziell auch jeglicher Alkoholkonsum und Verkauf verboten. So erlebten wir Havanna zwar auf eine Art sehr einzigartig, jedoch merkte man sichtlich, dass der Stadt förmlich die Luft zum Atmen fehlte und das, was normalerweise den Charme Havannas (besonders bei Nacht) ausmacht, einer beklemmenden Ruhe Platz gemacht hatte.

 

In Havanna schliefen wir in der gleichen Casa wie zu Beginn unserer Reise und auch diesmal hatten wir das Glück sehr offen mit dem Besitzer Carlos über die Gedanken, Gefühle und den Alltag der Kubaner reden zu dürfen. In diesen Gesprächen wurden unsere Erfahrungen der vergangenen zwei Wochen häufig bestätigt. Die kubanische Bevölkerung hat ein sehr zwiegespaltenes Verhältnis zum Tourismus und den jedes Jahr mehr werdenden Touristen auf der Insel. Viele haben das Gefühl, dass dem Staat die Touristen wichtiger seien, als die dort lebenden Menschen.

Betrachtet man diese Situation von Seiten der Einheimischen, kann man dieses Gefühl sehr gut nachvollziehen. Bedenkt man beispielsweise, dass es nicht annähernd genügend Busse oder anderweitigen öffentlichen Fernverkehr für die Bevölkerung gibt und es sogar die Pflicht eines jeden Devisen stärkeren Kubaners, der ein Auto besitzt ist, Anhalter mit zu nehmen, muss es sehr ernüchternd sein, wenn eigens für den Tourismus eine Buslinie mit den besten Bussen Kubas gegründet wird, die zuverlässig das ganze Land abfährt, sich aber kaum einer der Kubaner leisten kann.

Dieses Gefühl wird weiter verstärkt, wenn man sich die vielen Touristen in den Bars, Hotels und Restaurants anschaut, die oftmals Dinge konsumieren können, die es für Kubaner nirgends zu kaufen gibt (und sich - wenn doch - der Großteil der Bevölkerung sowieso niemals leisten könnte). Mindestens in diesem Punkt, ist die Regierung unter Castro mit ihren Idealen dramatisch gescheitert und hat eine Zwei-Klassengesellschaft geschaffen, die gerade vielen jüngeren Kubanern das gesamte Vertrauen in ihre Regierung genommen hat.



Darüber hinaus ist sich die Bevölkerung natürlich bewusst darüber, dass der Tourismus wertvolle Devisen ins Land bringt und sich (auch aufgrund des immer noch bestehenden Wirtschaftsembargos) vielerorts als Einnahmequelle Nummer eins etabliert hat. Und so scheint es, dass gerade die USA und die dort ansäßigen Markensymbole - trotz all ihrer aggressiven Anfeindungen - sich wieder erfolgreich als  Symbol für unendliches Glück und Wohlstand inszenieren können und vielen Kubanern damit als sinnbildlicher Strohhalm dienen, an den sie sich in ihrer Perspektivlosigkeit klammern können.

 

 

Unabhängig davon, wie man die derzeitige Situation dort empfinden mag, wird es spannend bleiben zu beobachten, welchen Weg Kuba gehen wird - und für den Fall, dass die kubanische Gesellschaft, sich dabei von „Spezialisten“ beraten lassen wird, kann man nur hoffen, dass sie diese mit großer Vorsicht auswählen …


 

 

Beide Bilder stammen

aus dem gleichen Reiseführer! ... ;-)




*= frei nach Ernesto "Che" Guevara:

 

„Seien wir realistisch, versuchen wir das Unmögliche!