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Windige Tage im Paradies

Unnachgiebiger Wind, extrem schnell wechselnde Wetter- und Temperaturverhältnisse und unendlich weite (zum Teil noch unberührte) raue Landschaften sind nur einige der vielen faszinierenden Merkmale, mit der man eines der - auch heute noch - unzugänglichsten Gebiete dieser Erde beschreiben könnte: Patagonien.

 

Zudem ist Patagonien für wohl jeden Kletterer ein ebenso grosses Traumziel wie Mythos. An patagonischen Bergen wurde (ebenso wie in den Alpen und dem Himalaya) alpine Geschichte geschrieben und auch heute noch finden selbst die besten Alpinisten hier Herausforderungen, bei denen ein erfolgreiches Gelingen alles andere als selbstverständlich ist.

 

Da die von Europa aus verfügbaren Informationen - vor allem, wenn man kein Spanisch spricht - recht dürftig sind und wir uns auf der anderen Seite im Angesicht der unendlich vielen Möglichkeiten (Klettern in jeglicher Spielart, Hochtouren / Bergsteigen, Trekking, etc.) kaum entscheiden konnten „was wir denn wo alles machen wollen“, verbrachten wir schon recht lang im Voraus viele Abende mit Lesen, Internetrecherche, Telefonaten und Gesprächen. Und nachdem wir eine Zeit lang unsere Reiseplanung gefühlt jeden zweiten Tag komplett über den Haufen geworfen und wieder neu zusammengestellt hatten, war es schliesslich geschafft: Wir hatten zwar noch keinen perfekten Plan, aber immerhin eine solide Idee, wie wir ein paar Kletter- und Hochtouren halbwegs „sinnvoll“ mit ein wenig Trekking kombinieren könnten!

 

Einige Wochen vorher wurde unsere Planung dann allerdings noch einmal so durcheinander gebracht, dass es eine Zeit lang völlig unklar war, ob wir überhaupt nach Patagonien fliegen können.

 

Saskia wurde beim Eisklettern durch herabfallendes Eis auf den Helm getroffen und erlitt dadurch eine Schädelfraktur und Gehirnerschütterung. Trotz allem „Glück im Unglück“, braucht so etwas eine längere Regenerationszeit und der Schwindel ist immer noch ein stetiger Begleiter, sodass wir (glücklich darüber, dass die Ärzte überhaupt einstimmig ihr O.K. für den Flug gegeben haben) unsere Planung erneut umgeworfen haben. Wir beschlossen es erst einmal „ruhig angehen“ zu lassen und uns anstatt der geplanten Klettertouren ein paar spektakulär klingenden Trekkingrouten zu widmen …


 

 

Dieser Schein trügt ...

 

wir sind einfach nur

am "alten" Busbahnhof gelandet!

 

 


Nachdem wir dann nach ca. 40 Std. („von Tür zu Tür“) endlich in Patagonien - genauer: in El Calafate - gelandet waren, fuhren wir am nächsten Tag weiter zum Perito Moreno Gletscher.

 

Dieser Auslassgletscher ist Teil des grössten Gletschergebiets der südamerikanischen Anden und gehört zu den wenigen Gletschern überhaupt, die nicht stetig an Eismasse verlieren, sondern sogar noch wachsen. Bei guten Wetterbedingungen konnten wir dort über die unendlich scheinende Gletscherfläche schauen, dem Gletscher beim kalben zuhören, zusehen wie von Zeit zu Zeit riesige Eisbrocken unter lautem Getöse in den See stürzten und hin und wieder einige Andenkondore beim Kreise ziehen beobachten.




Von El Calafate aus ging es für uns dann weiter nach EL Chalten. Mit einem kleinen tränenden Auge liessen wir die Kletterwände am Fusse des Ortes links liegen und machten uns - den zu diesem Zeitpunkt „nur“ im oberen Wandteil von Wolken umhüllten Cerro Torre, schon von Weitem im Blick - bei vielversprechendem blauem Himmel auf den Weg zur Laguna Torre.


 

 

El Chalten ...

 

von manchen auch

"Chamonix Südamerikas"

genannt.



 

 

Der Cerro Torre versteckt sich hinter den Wolken.


Je näher wir kamen, desto dichter wurden allerdings die Wolkenschleier und schliesslich machte der Cerro Torre seinem Ruf als „Schlechtwetterküche“ alle Ehre.


 

 

Weitaus häufiger als das spektakuläre Bild eines im Sonnenaufgang leuchtenden Cerro Torre ist wohl dieses hier:


Nach einer regnerischen Nacht und einem letzten Blick dorthin, wo „nomalerweise“ (aber eben meistens dann doch nicht …) der Cerro Torre zu sehen ist, machten wir uns bei stürmisch kaltem Wetter auf unserem Weg zu unserer nächsten Übernachtungsstelle - dem Campamento Poincenot.

 

Da wir zufällig ein Gespräch mithören konnten, in dem darüber gesprochen wurde, dass für den nächsten Tag wieder schönes Wetter mit klarer Sicht gemeldet sei, beschlossen wir unseren Wecker so zeitig zu stellen, dass wir noch vor Sonnenaufgang den 1,5 stündigen Anstieg zur Laguna de los Tres angehen können, um anschliessend zeitgleich mit den ersten Sonnenstrahlen dem Cerro Fitz Roy gegenüber zu stehen.

 

Als wir dann am Morgen nach einer unerwartet kalten Nacht erwachten und unser Zelt öffneten blickten wir anstatt auf wolkenfreien Himmel in dichtes Schneegestöber und so blieb uns nichts anderes übrig, als uns enttäuscht wieder in die Wärme unserer Schlafsäcke zu flüchten.


 

 

Ein Caracara begrüsst uns

nach einer kalten Nacht.


Keine 2 Stunden später checkten wir erneut die Wetterlage und stellten zu unserer Überraschung fest, dass es aufgehört hatte zu schneien und sich der Himmel komplett aufgeklart hatte. Wir zogen uns also schnell an, verdrückten schnell noch einen Müsliriegel und machten uns - den Kaffee schweren Herzens auf später verschiebend - auf den Weg Richtung Laguna de los Tres. 

   

Dort oben erwartete uns dann, in ungewöhnlicher Windstille und mit dem seltenen Glück einer absolut freien Sicht auf die Fitz Roy Gruppe, einer der wahrscheinlich schönsten Orte auf diesem Planeten! Die rötlich schimmernden Granitwände strahlen eine magische Anziehungskraft aus und man kann förmlich nicht anders, als von dem unbändigen Wunsch ergriffen zu werden, irgendwann einmal an einer dieser Wände klettern zu können.


 

 

Ein bei weitem nicht alltägliches Glück:

 

Der freie Blick auf den Fitz Roy bzw. den "El Chalten".

 

(Was in der Sprache der Tehuelche "rauchender Berg" bedeutet - man sieht auf dem Bild ja auch ganz gut, warum er so heisst!)


Doch selbst wenn es diesbezüglich warscheinlich bei einem Wunsch bleiben wird, verliert der Berg nichts von seiner Anziehungskraft und wir können uns - nachdem wir über eine Stunde diese beeindruckende Kulisse in uns aufgesaugt haben - nur schwer von diesem Ort abwenden, um wieder zu unserem Camp abzusteigen.    

  

Wieder zurück in El Chalten, geniessen wir gerade die heimelige Wärme von „El Chocolateria“, planen unsere möglichen nächsten Touren und freuen uns nach dem zwar unbestreitbar spektakulären - aber eben mittlerweile auch touristisch recht gut erschlossenem Gebiet - des „Parque Nacional Los Glaciares“ auf unsere Weiterreise in die Region  Aysén.


 

 

Wohltuende Wärme umgeben vom Ambiente alpiner Pionierzeit

und Schokolade in jeglicher Form:

 

"El Chocolateria"


Dort werden wir nämlich schon vom Sohn einer Cousine von Ansgars Mama erwartet, der dort seit langer Zeit zu Hause ist, und dessen landschaftliche Schönheit den berühmten Bergpanoramen zwar in Nichts nachstehen soll, dafür aber weitaus weniger bekannt ist.

 



Dieser Abschied tut weh! Und doch freuen wir uns auf neue Eindrücke und weitere patagonische Traumlandschaften - diesmal allerdings abseits der populären Reiserouten ...

 

... und was die Berglandschaft rund um El Chalten betrifft - da ist ein Wiedersehen eh schon fast Pflicht!