Da wir als „Kletterhallen-sozialisierte“ Sportkletterer lange Zeit eher dem „steil ist geil-Prinzip“ gefolgt sind, uns aber spätestens seit unserem Umzug in die Schweiz der Alpin-Virus befallen hat, bemühen wir uns seitdem stetig unser alpines Knowhow zu erweitern und in den verschiedensten Spielarten des Bergsteigens Erfahrungen zu sammeln.
Und wie wir letzten Sommer auf unmissverständliche Weise erfahren durften, gehören für uns auf jeden Fall auch ein paar Nachhilfestunden in den traditionellen Plattengebieten (Handegg, Grimsel, Furka …) auf den Stundenplan.
Daher starteten wir unsere Urlaubswoche mit zwei jeweils 10 Seillängen langen Touren im Grimselgebiet. Da die Sonne die Granitwände spätestens ab mittags in einen Hochofen verwandelt hat, quälten wir uns schon kurz nach Sonnenaufgang aus unserem Bus und waren (gestärkt von einer Tasse Kaffee und ein paar Keksen) bereits auf dem Weg zum Einstieg der Route, während alle anderen noch friedlich in ihren Schlafsäcken schlummerten.
Da wir dank unseres frühen Aufbruchs, jeweils schon wieder gegen 12:00 Uhr zurück am Ausgangspunkt waren, blieb uns am zweiten Tag anschließend sogar noch genügend Zeit, um in aller Ruhe zur Isenfluh zu fahren und von dort aus zur Lobhorn-Hütte aufzusteigen.
Ein weiterer Punkt auf unserer „To-Do-Liste“ war nämlich die Lobhörner-Überschreitung!
Schon alleine wegen der wunderschön gelegenen Lobhorn-Hütte, von deren Terrasse aus man einen erstklassigen Blick auf Eiger, Mönch und Jungfrau hat, lohnt sich der Aufstieg dorthin. Die herausragend netten Hütten-Betreiber verwöhnen ihre Gäste u.a. mit selbstgebackenem Brot und Rhabarberkuchen und haben extra für uns das Frühstück schon um 05:30 statt erst um 07:00 Uhr bereit gestellt. Denn unser Plan für die Lobhörner-Überschreitung war der gleiche, wie beim Mehrseillängen klettern im Grimselgebiet: früh einsteigen und fertig sein, bevor es zu heiss wird!
(Ausserdem war für den Nachmittag des kommenden Tages Regen und Gewitter gemeldet - ein weiterer guter Grund, um morgens nicht unnötig Zeit zu vertrödeln.)
Frühstück auf der Lobhorn-Hütte bei Sonnenaufgang.
Im Folgenden findet ihr unsere (naturgemäß subjektiven) Einschätzungen zu den einzelnen Abschnitten der Tour. Wir haben uns nach der Überschreitung einige Notizen
gemacht und als Anmerkungen dem Topo hinzu gefügt. Dieses könnt ihr bei Interesse als pdf-Datei herunter laden. Vielleicht hilft es ja dem ein oder anderen, als Ergänzung zu den schon im Internet
vorhanden Tour-Beschreibungen, bei der Vorbereitung.
Unser Tag hätte kaum besser starten können:
Irene - die Hüttenwartin der Lobhornhütte deckte das ausgiebige und sehr leckere Frühstück draussen auf der Terrasse vor der Hütte, wie versprochen bereits um 05:30 und so konnten wir bereits in aller Frühe bei angenehmen Temperaturen unseren Kaffee mit Blick auf das Berner Dreigestirn genießen. Bei so viel gemütlichem Ambiente fiel es uns für einen kurzen Moment nicht leicht, uns vom Frühstücksbuffet abzuwenden und pünktlich Richtung Lobhörner loszuziehen.
Doch einmal losgegangen, wuchs mit jedem Schritt die Vorfreude (und Spannung) auf die Lobhörner-Überschreitung!
Das „Abenteuer“ fing schon kurz nach der Hütte an. Der dort lebende Bauer hatte gerade damit begonnen seine Kühe von der Wiese in den Stall zum Melken zu treiben und so kam eine Herde behornter Kühe auf uns zu gerannt, von denen wir uns manchmal nicht sicher waren, ob sie uns in ihrem Galopp noch rechtzeitig sehen und abbremsen oder wenigstens um uns herum laufen würden. Die Kühe schienen dann zwar sehr neugierig zu sein, liessen uns aber glücklicherweise ungehindert passieren und so erreichten wir nach einer guten Stunden die Ostseite der Lobhörner.
Der frühe Aufbruch hatte sich gelohnt - abgesehen von ein paar Murmeltieren waren wir weit und breit alleine am Fels.
Irene gab uns noch den Tipp die rechte Einstiegsvariante zu wählen, da der linke Einstieg schon recht poliert sei. Es ist (zumindest jetzt) diejenige Linie, die einem bei Ankunft von Osten her als erstes ins Auge fällt ...
In der gesamten Route schienen sich deutlich mehr Bohrhaken zu befinden, als im Topo eingezeichnet sind und es fehlte auch (entgegen einiger Berichte im Internet) nirgendwo eine Lasche. In der dritten Seillänge ist es an manchen Stellen sogar ohne weiteres möglich nach dem Exe einhängen, die darunter eingehängte wieder mitzunehmen. Nachträglich kann man sagen, dass es auf diesem Weg problemlos möglich ist mit 5 Exen jede Seillänge der Tour gut abzusichern. Da wir den Exen-Bedarf vorher schwer abschätzen konnten hatten wir 8 Exen dabei, womit man definitiv ausreichend ausgestattet ist.
Die Kletterlinien und Stände waren problemlos zu finden und sollte man sich einmal unsicher sein, weisen die Trittspuren der Vorgänger einen meist unmissverständlich in die richtige Richtung. Am Ende der dritten Seillänge, deren Felsstruktur in einem Bericht mit „Orgelpfeifen“ verglichen wird, war zwar nur ein Bohrhaken, da es jedoch von dort aus in Gehgelände Richtung Daumen geht, ist man offensichtlich „angekommen“ und die Felszacke neben dem Bohrhaken ist wie geschaffen für eine Hintersicherung mit einer Schlinge.
Wir kamen insgesamt schnell voran und befanden wir uns schon bald am Beginn der „Schlüsselseillänge“ rechts hinter dem Daumen. Die Schlüsselstelle ist „Sportkletter-mässig“ mit Bohrhaken bestückt und wenn man wollen würde, könnte man hier sicherlich auch die Exe als Griff zur Hilfe nehmen …
Von hier aus ging es weiter zwischen Kletterei, Abseilen und Gehgelände erst über die Zipfelmütze und dann das kleine Lobhorn querend über den Gipfelgrad zum Großen Lobhorn. Von da aus ging es nach zweimaligem Abseilen erneut über einen Grad zur letzten Abseilstelle, die - schon von weitem sichtbar - mit einem Steinmännchen markiert ist. Interessanter Weise haben wir vorher nirgendwo etwas über den Weg zur letzten Abseilstelle gelesen. Dieser ist zwar nicht zu verfehlen, besteht jedoch aus einem leicht abwärts geneigten und im Vergleich zu den Grasbändern zuvor, nicht weniger ausgesetztem und leicht rutschigem Schotterweg, der in unseren Augen deutlich unangenehmer zu gehen war, als die beschriebenen Grasbänder.
Auf dem Gipfel des
Großen Lobhorns.
Wir sind ab dem Grad, der auf die Zipfelmütze den Rest der Tour am gleitenden Seil (bzw. frei) gegangen und haben trotzdem 3:15 h vom Einstieg bis zum Gipfel gebraucht. Nach knapp 4 Std. waren wir - inklusive Gipfel-Pause und Abseilen - wieder am Einstieg.
Wenn man vor hat, alle Passagen klassisch von Stand zu Stand zu sichern, sollte man zu der auf dem Topo angegebenen Zeit von 3-4 Std. unserer Meinung nach besser noch etwas Zeit (zusätzlich zur ohnehin obligatorischen Zeitreserve) draufrechnen.
Zurück an der Lobhornhütte konnten wir bei Kaffee und (dem schon erwähnten) Rhabarberkuchen beobachten, wie sich die Spitzen der
Lobhörner bereits begannen in Wolken zu hüllen.
Das frühe Aufstehen hatte sich also gelohnt, denn nicht allzu lange vorher hatten wir vom Gipfel aus noch in jede Himmelsrichtung einen traumhaft freien Blick auf das uns umgebenen Bergpanorama!
Alle Angaben sind nach der Tour aus dem Gedächtnis heraus aufgeschrieben worden und natürlich ohne jede Gewähr!