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St. Leger du Ventoux

Eigentlich hatten wir uns ja vorgenommen unsere Urlaubswoche zu nutzen, um die viel gelobten Sportkletterfelsen auf Mallorca einmal aus der Nähe zu betrachten - doch je näher unser Urlaub kam, desto weniger Lust hatten wir auf den notwendigen Flug und das Organisieren eines Mietwagens.

 

Daher vertrauten wir auf ein wenig Wetterglück und beschlossen anstatt dessen lieber mit unserem Bus in die Provence zu fahren. St. Leger - ganz in der Nähe des Mont Ventoux gelegen - stand ebenfalls schon seit längerem auf unserer „Reise bzw. Kletter-To-Do-Liste“ und da die Wettervorhersage tatsächlich beste Kletterbedingungen versprach,  starteten wir nach dem Frühstück entspannt in Richtung Frankreich. An kaum an einem anderem Ort springt einem eine so deutliche Überzahl an französischen 8er-Routen aus dem Kletter-Topo entgegen wie dort. Ein riesiger Spielplatz also für die wirklich ganz starken Jungs und Mädels!

 

Für alle die sich im Bereich der 7er auf der französischen Schwierigkeitsskala bewegen, gibt es allerdings definitiv ebenfalls ausreichend zu tun - darunter wird es dann aber sehr schnell eng. Die Hakenabstände sind - zumindest im Vergleich zu vielen modernen Sportklettergebieten - ein wenig übersichtlicher und auch hinsichtlich der Bewertungen darf man in St. Leger zumindest keine Geschenke erwarten …


 

 

Good Morning, St. Leger!


Das Örtchen selbst ist so klein, dass man während man noch das Ortsschild liest, beinahe schon durchgefahren ist und selbst für das Einkaufen von Grundnahrungsmitteln muss man in einen der nächst größeren Orte fahren. Dafür gibt es glücklicherweise aber einen Brunnen mit Trinkwasser in der Dorfmitte neben einem offiziellen WC und auch das Übernachten im Bus ist  problemlos möglich - wobei man zwischen dem „offiziellen“ Parkplatz am Ortsausgang St. Legers, ein paar versteckten Stellplätzen am Fluss, oder aber einem der zahlreichen Parkbuchten der Passstraße wählen kann. Die deutlich erhöhte Lage auf der Passstraße versprach uns bereits pünktlich zum Frühstück die ersten wärmenden Sonnenstrahlen zu bringen, und so entschieden wir uns anstatt für die idyllische Lage am Fluss lieber für eine große Ausbuchtung mit zwei Stein-Tischen als Stellplatz für unseren Bus.



Eigentlich hat die Gegend rund um St. Leger alles was ein „Kletterparadies“ so braucht: wilde Landschaft, lange Routen (80 m Seil nicht vergessen!) und kleine Miet-Unterkünfte bzw. „freie“ Camping-Stellplätze. Die Kletterrouten sind allerdings nicht bloß ziemlich laaang und ausdauernd, sondern auch extrem abwechslungsreich - von überhängenden Sinterrouten bis zu technisch, kleingriffiger Wand- und Plattenkletterei ist alles zu haben. Und häufig sorgt obendrein die Kombination all dieser Spielarten innerhalb einer Route für ein wirklich herausragendes Klettererlebnis.



Nur die Beschäftigung an Ruhetagen kann zuweilen etwas mühsam werden, zumindest wenn schlechtes Wetter oder - wie in unserem Fall - permanente starke und zudem kalte Sturmböen das gemütliche „Herumhängen“ im Freien unmöglich machen. Dann bleibt nämlich nur noch, den Tag in der Unterkunft (oder Bus) zu verbringen, oder die Autofahrt in eines der umliegenden kleinen Örtchen, als Zeitvertreib. Wobei allerdings deutlich zu spüren ist, dass die „beste Kletterzeit“ nicht unbedingt in die touristische Hauptsaison der Provence fällt - was ja prinzipiell sehr angenehm ist, einen in diesem Fall aber meistens vor geschlossenen Cafes oder Bars stehen lässt.


 

 

An Wochenenden hat man auch ausserhalb der Saison

schon mal Glück bei der Suche nach einer geöffneten Bar ...


„Gerademal“ 40km von St. Leger entfernt liegt das selbsternannte bunteste Dorf der Provence. Ein 1300 Seelen Örtchen, welches roten und ockerfarbenen Sand zum Färben ihrer Hausfassaden benutzt. Auf dem Weg dorthin passierten wir unzählige kleinste Dörfer, fuhren über endlose Serpentinen, bestaunten dutzende Kilometer lange Lavendelfelder (die leider noch nicht blühten), genossen die noch fast herbstlich anmutenden Farben der Wälder und die Aussicht in die weite Ferne sowie auf die darin gut getarnten bzw. in die Natur integrierten lehmfarbenen einzelnen Häusern und Dörfern. Kaum vorzustellen, wie atemberaubend es hier im Sommer aussehen muss, wenn alle Pflanzen farbenfroh blühen und von morgens bis abends von der Sonne angestrahlt werden!

 

Doch wann kommt denn endlich dieses Roussillon?



Die kurvigen Sträßchen wollten einfach kein Ende nehmen und so lernten wir schnell, dass man in der Provence für 40 km auch schonmal fast zwei Stunden brauchen kann. Wobei die diversen Zwischenstopps an den lokalen Bäckereien und „Leckerei-Bedarfsläden“ sich ebenfalls sicherlich nicht ganz optimal auf die Durchschnittsgeschwindigkeit ausgewirkt haben.


 

 

Roussillon


Im Endeffekt hatten wir an unseren Klettertagen dann doch leider nicht nur die vorhergesagten (und erhofften) perfekten Bedingungen. Das Wetter wechselte beinah täglich: mal war es bewölkt und angenehm kühl, mal eisig kalt und stürmend - und anderentags dann wieder windstill und wolkenlos mit „unbarmherzigen“ 20 Grad (was an einem südseitigen Felsriegel leider auch keine wirklich optimalen Kletterbedingungen darstellt) …

 

 

Na ja, beim nächsten Mal werden wir auf jeden Fall etwas mehr Zeit mitbringen, um uns noch ein bisschen besser in die Kletterei „eingrooven“ zu können, die Vorhersage der klimatischen Voraussetzungen noch ein wenig eingehender studieren - und ein paar zusätzliche Ausdauer-Muckis im Gepäck würden wahrscheinlich auch nicht schaden!