Nach fast sieben Wochen war es wieder an der Zeit weiter zu ziehen. Wie auch beim letzten Mal, war es eine tolle Zeit an einem für uns so besonderen Ort, an dem wir unsere Leidenschaft an den Karstbergen voll ausleben konnten, viele interessante Menschen kennenlernen durften und viele unbeschreiblich schöne Momente aufsaugen und in unserer Erinnerung speichern konnten.
Ein Ort, der sich für uns schon fast wie ein zweites Zuhause anfühlt. Zu sagen, wir wissen wo der Hase hier langläuft, wäre zwar vielleicht ein bisschen übertrieben, aber wir kennen uns in der Gegend hier mittlerweile tatsächlich recht gut aus (fahren wir doch stets überall mit unseren rosa Flitzern hin), haben unsere Stammlokale, wo wir von den Inhabern freundlich gegrüßt und willkommen geheißen werden, haben viele der hier lebende Westler und Chinesen kennengelernt und einige von ihnen als Freunde dazu gewonnen, wissen wo man am günstigsten einkauft, etwas reparieren lassen kann, und, und, und …
All dieses haben wir zum Ende hin noch mit Freunden aus der „Heimat“ teilen können. Sabrina, ebenfalls Kletterin ist vor etwa zwei Wochen zu uns gestoßen. Es hat uns viel Freude bereitet und uns auch mit etwas Stolz erfüllt, ihr unser kleines Paradies vorzustellen und ihr die tollsten Klettersektoren und besten Routen zu zeigen.
Seit ein paar Tagen sind Gonda (Ansis Ma) und Carina ebenfalls hier und da beide nicht klettern haben wir versucht, ihnen auf andere Art zu zeigen, was für uns die Schönheit Yangshuos ausmacht. Wir haben mit ihnen unter anderem eine Fahrrad-Tour mit Picknick an einem der für uns schönsten Klettersektoren gemacht (naja…ein bissel Fels darf ja beim Sightseeing nicht fehlen ;-)).
Carina und Gonda waren auf unseren rosa Düsen unterwegs und Ansgar und Saskia haben sich ein Tandem geteilt, da sich Saskia ein paar Tage vorher heftig das Knie geprellt hat und weder richtig laufen, noch radeln konnte. In der Praxis sah das dann so aus, das Ansgar heftig strampeln musste, während Saskia die Beine hat baumeln lassen und paar Schnappschüsse der Radtruppe gemacht hat. Eigentlich sehr chinesisch, nur das die Chinesinnen bei dieser Gelegenheit meistens entweder auf ihren Handys rumtippen oder Selfies mit Schmollmund von sich machen, während die Kerle oder die Freundin vorne strampeln müssen.
Einen unvergesslichen Abschluss fand unsere Zeit in Yangshuo dann bei einem gemeinsamen Abendessen. Liz, eine chinesische Freundin hatte uns dazu zu sich nach Hause eingeladen. Das Essen war der absolute Wahnsinn! Liz - die einige Jahre chinesische Medizin studiert hat und sich extrem gut mit den Kräutern und Gewürzen der chinesischen Küche (und deren Wirkungsweise auf den menschlichen Körper) auskennt - hörte gar nicht mehr auf zu kochen und wir wurden neben frischem Tee, Suppe und Wildreis mit mehr als 10 verschiedenen Gerichten verwöhnt. Das Abendessen war gigantisch und mit Sicherheit das Beste, was wir je in Asien gegessen haben!
Die klassische Bamboo Tour von Yangdi aus ins über 1000 Jahre alte Dorf Xingping durfte natürlich auch nicht fehlen. Wenn es schon ein Landschaftsbild eines so riesigen Landes wie China auf die Rückseite einer Geldnote schafft, darf man ja schließlich nicht die Gelegenheit verpassen, sich dieses Bild einmal in Natura anzusehen!
Bei dieser Gelegenheit konnten die drei auch direkt Bekanntschaft mit der - in unseren Augen oft willkürlich und skurril erscheinenden - Bürokratie machen. Über 200 Yuan (ca. 25€) pro Person für eine Floss-Tour zu bezahlen, erschien uns doch reichlich übertrieben und so fanden wir, während unserer sich immer mehr in die Länge ziehenden Preisverhandlung Schritt für Schritt heraus, dass dieser Preis vor allem dadurch zu Stande kommt, dass die lokale Regierung an den Touren mitverdienen möchte.
Das wäre soweit ja nicht ungewöhnlich, würde nicht der Preis für diese Floss-Tour von Guilin aus - ebenfalls natürlich bei offiziellen Anbietern gebucht - (inklusive Bustransfer) bei 90 Yuan liegen. Es sieht also so aus, als ob Agenturen die diese Tour anbieten, nichts von ihrem Verdienst an die Regierung abtreten müssen, sondern „lediglich“ die Menschen vor Ort, denen ein Floss gehört und die versuchen sich so ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Es ergab sich für den hoch offiziellen Preis von exakt 218 Yuan im Laufe des Gesprächs doch noch Verhandlungsspielraum - abhängig wie immer vom Verhandlungsgeschick der Teilnehmer, der Personenzahl oder wie in diesem Fall von der Bereitschaft, von der Schwester der chinesischen Dolmetscherin Blumenkränze zu kaufen … eine Hand wäscht halt auch hier die andere.
Nach ausreichend lang gespielter Interessenslosigkeit unsererseits und ebenso engagiert vorgetragener Unnachgiebigkeit des Floss-Kapitäns, gingen wir dann endlich (ohne Blumenkränze im Haar) an Bord und ließen uns vom sanften Klang des Außenbordmotors begleitet den Fluss entlang treiben.
Bei all dem Kletter- und Yangshuo-Sightseeing haben wir abermals feststellen müssen, wie verliebt wir in diesen kleinen, touristischen Ort sind. Jedoch wissen wir ja alle: Paradiese gibt es nie allzu lange, sie locken viele Menschen - Touristen, Reisenden, Verweilende, aber auch Makler und Investoren an. Die Dinge ändern sich!
Das Yangshuo seit Jahren, vielleicht sogar Jahrzehnten nicht mehr das gemütliche kleine Dörfchen inmitten von tausenden Karstbergen ist, ist uns natürlich bewusst - aber waren die Entwicklungen der vergangen Jahre schon unübersehbar, so sind die fortschreitenden Veränderungen im Stadtbild alleine in den letzten 1,5 Jahren mehr als turbulent.
Wie bereits in einem unserer letzten Berichte erwähnt, wird in Kürze eine Hochgeschwindigkeits-Zugstrecke zwischen Guizhous Provinzhauptstadt Guiyang und Guilin eröffnet werden, sodass die Bewohner dieser 3,5 Mio. Einwohner zählenden Stadt in ca. 4 Stunden in Guilin sein können. Das wird den Ansturm auf Yangshuo - gerade an den Wochenenden - unzweifelhaft deutlich verstärken und die riesigen Schnellstraßen-Baustellen rund um Yangshuo zeigen schon jetzt auf, wohin die Reise gehen wird. Doch nicht nur baulich befindet sich Yangshuo im Wandel. Einheimische Kletterer erzählten uns, dass es Pläne gibt, den privaten Wohnraum im Innenstadtbereich weitestgehend zu räumen und dadurch für noch mehr Hotels, Restaurants und dergleichen Platz zu schaffen . Das würde nur zu gut die unzähligen Neubauten am Stadtrand und die deutlich gestiegene wahrnehmbare Anzahl von Polizeipräsenz und Lizenzkontrollen erklären.
Und vielleicht ist ja auch die aktuelle Sperrung des legendären Klettersektors „Moon-Hill“ ein weiteres Puzzleteilchen in der Umgestaltung Yangshuos? Interessenskonflikte zwischen Farmern und Kletterern gab es zwar in der Vergangheit schon häufiger, konnten jedoch immer beseitigt werden und zeigten sich meist nur in dem Versuch sich den Zugang zu den Felsen bezahlen zu lassen. Da ist das derzeitige Bild an Moon-Hill schon ein anderes. In den Routen wurden die ersten Bohrhaken entfernt und Polizei-Streifen zeigen vermehrt Präsenz, um das bestehende Kletterverbot durchzusetzen.
Wird sich nicht nur Yangshuo als Stadt, sondern auch als Eldorado für Kletterer nachhaltig verändern? Wird sich alles „nur“ an den Stadtrand verlagern? Was passiert mit all den preiswerten Unterkünften und Straßen-Restaurants? Diese Fragen kann zum jetzigen Zeitpunkt wohl niemand beantworten!
Oder bleibt zu guter Letzt vielleicht doch alles wie es ist?
… das wohl sicher nicht!
Vor allem fragen wir uns jedoch: Bleibt es trotz allem „unser kleines Paradies“?
Eins steht jedenfalls fest, wir verlassen Yangshuo mit einem weinenden und einem lachenden Auge, denn so gerne wir auch bleiben würden, ist es manchmal gut, sich auf etwas Neues zu freuen, um sich nach vielen erlebnisreichen, schönen und lustigen Erfahrungen und Entdeckungen wieder nach seinem Paradies zu sehnen oder vielleicht sogar neue zu finden.
Jetzt machen wir erstmal zu viert Thailand unsicher, visieren als erstes Ziel Bangkok an, nur diesmal ein wenig länger als "one night“ und reisen getreu dem Motto „et kütt wie et kütt“ und „et hät noch immer jot jejange“ weiter …