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Der lange Weg ins (Kletter-)Paradies

Voller Freude über unseren neu geschmiedeten Reiseplan fuhren wir also wieder die komplette Küste Kroatiens runter und entschieden uns zudem, anstatt über die schnellere Autobahnstrecke Serbiens lieber über die - grösstenteils an der Küste entlangführenden - Landstrassen Montenegros und Albaniens nach Griechenland zu reisen.



Da nämlich für die nächsten Tage in Griechenland ebenfalls noch Regen und Gewitter angesagt war, hatten wir ohnehin keinerlei Zeitdruck "allzu schnell" dort anzukommen und wollten lieber die Gelegenheit nutzen, um Albanien mal etwas genauer "unter die Lupe zu nehmen". Unser Plan noch vor Eintreten der Dunkelheit die Grenze zu passieren, hat allerdings mal wieder nicht ganz so gut geklappt, da wir abermals die Länge der kurvenreichen Küstenstrassen Kroatiens und Montenegros unterschätzt hatten.

 

Unser Ziel für diesen Abend war die, unserer Vorstellung nach, kleine Stadt Shkodra, die ca. 35km hinter der Grenze von Montenegro im Landesinneren von Albanien liegt. Ganz in der Hoffnung dort wieder etwas mehr Leben als im Kroatien der Nachsaison anzutreffen, vor dem Schlafen gehen noch etwas durch die Stadt zu schlendern und in einem landestypischen Restaurant zu Abend essen zu können ...

 

Der erste "Kulturschock" folgte prompt. Albanien ist, im Gegensatz zum im November beinahe ausgestorbenen Istrien und Dalmatien, auch zu dieser Jahreszeit alles andere als ein verschlafenes Nest. Im Gegenteil - es scheinen wirklich alle Einheimischen abends durch die Strassen und Gassen zu flanieren oder sich mit Freunden und Familie in einem der tausenden (und das ist wirklich keine Übertreibung!) Cafés zu treffen. Dabei teilen sich Kinderwägen, Fahrräder, Motorräder (vornehmlich ohne Licht), Fussgänger und Autos in einem scheinbar wilden Durcheinander die engen Strassen und Plätze.

 

Die Stadt war so brechend voll, dass wir auch nach ca. einer Stunde - während derer wir alle angrenzenden Strassen und Gassen durchfahren und dabei sämtliche Cafés und Restaurants systematisch eingekreist hatten - immer noch keinen freien Parkplatz ergattert hatten und schliesslich schweren Herzens und vor allem noch immer hungrig wieder aus dem Innenstadtbereich herausfuhren. Nach einem stärkenden Abendessen in unserem Bus am Strassenrand und einer weiteren Irrfahrt durch die Randbezirke Tiranas verbrachten wir die Nacht dann schliesslich auf einem Parkstreifen in Durres, einem Küstenort ca. 40km westlich der Hauptstadt.



Das bei unserem Eintreffen etwas verlassen wirkenden Durres entwickelte sich nach Tagesanbruch ebenfalls zu einer quirligen Stadt und so hatten wir ausreichend Auswahl, um uns vor der Weiterfahrt zu unserem nächsten geplanten Zwischenstopp in Berat in den zahlreichen Kaffeebars und Bäckereien mit leckerem Brot und Espresso zu stärken.



Die Entscheidung, ob wir anschliessend weiter der Küstenstrasse folgen und auch noch den nächsten Tag in einem der kleineren Hafenorte verweilen oder lieber schnurstracks durchs Landesinnere Richtung Griechenland fahren sollten, wurde uns mal wieder von dem erneut einsetzenden Dauerregen abgenommen. Bei dem Wetter würden wir ohnehin nichts von der Landschaft sehen, geschweige denn einen romantischen Stellplatz am Strand auskosten können und so schliefen wir - nach einem weiteren Tag "on the road" - die darauffolgende Nacht bereits in einer ruhigen Parkbucht an der Küste Griechenlands.

 

Natürlich konnten wir uns in den wenigen Tagen unserer Durchreise kein richtiges Bild von Albanien machen, aber es war - so viel steht fest - sicherlich nicht unser letzter Besuch. Die lebensfrohen und gastfreundlichen Menschen und die touristisch noch kaum erschlossene Landesstruktur haben uns schnell in ihren Bann gezogen und unsere Neugierde geweckt. Wer sich danach sehnt einmal "richtiges Balkanfeeling" zu erleben scheint hier jedenfalls genau richtig zu sein!




Dass die Menschen in Griechenland ihren Nachbarn in Punkto Herzlichkeit in nichts nachstehen, zeigte sich schon am Grenzübergang, als uns die Zollbeamtin fragte, wo wir denn hinfahren würden. Als Saskia "Leonidio" antwortete, entgegnete sie prompt, begleitet von einem breiten Lächeln: Climbing (Klettern)?! und berichtete uns von der zunehmenden Anzahl an Camping-Bussen die zu Beginn der "Kletter-Saison" dort über die Grenze fahren. Und auch die zweite Zollbeamtin schien grosse Freude an uns und unserem Bus zu haben, schnappte sich prompt unsere beiden - im Fahrerraum stehenden - gehäkelten Kakteen, begutachtete sie interessiert und fragte nach der Anleitung.

 

Von nun an trennten uns "nur" noch knappe 600 km vom vermeintlichen Kletterparadies Leonidio. Schon während der Autofahrt konnten wir unseren Augen dann kaum trauen, was sich an scheinbar endlosem Fels- und Kletterpotential auf der Peloponnes befindet. Zudem fällt schnell auf, dass die Halbinsel trotz Badetourismus weiterhin "nur" aus kleinen Ortschaften ohne hoch aufragende Bettenburgen besteht und so, trotz der touristischen Infrastruktur noch sehr ursprünglich wirkt.

 

Mit der Ankunft in Leonidio hörte es dann endlich langsam auf zu regnen und wir erkundeten nach einer kleinen Stärkung in Form des bei uns so beliebten koffeinhaltigen Heissgetränks das kleine Örtchen, dass sich für uns in den nächsten zwei Wochen wie ein zweites Zuhause anfühlen sollte.


 

 

Endlich sind wir da!


Berichte über das Klettern in Leonidio gibt es im Internet ja bereits zu Hauf - und ja, sie stimmen alle! Die Felswände könnten abwechslungsreicher kaum sein. Hier gibt es für jede Kletterschwierigkeit und Stil einfach alles.

 

Sinterwände, stark überhängende athletische Touren, leicht überhängende Ausdauerrouten, Löcher, Leisten, und selbst Platten - mit Routenlängen zwischen 15 und 60 Meter. Zudem gibt es sowohl unter den Sonnen- und Schattenwänden auch einige, die einen komplett vor Regen schützen und es so ermöglichen so ziemlich bei jedem Wetter klettern zu können.

Natürlich haben aber auch schon andere Kletterer von diesem Paradies Wind bekommen und in den "In-Sektoren" haben die Routen daher leider schon innerhalb kürzester Zeit deutlich Politur bekommen und es kann zudem empfindlich (bzw. anstrengend) voll werden.


 

 

Im Sektor Mars findet sich eine Traumlinie neben der anderen - das gleiche gilt allerdings meistens auch für Kletter-Seilschaften, die auf das Freiwerden einer Route warten ...


Allerdings kann man mit der richtigen Sektor Auswahl - und ein wenig Glück - auch fast alleine am Fels sein!


 

 

Die linke Höhle des schon

aus der Ferne imposant wirkenden Sektors H.A.DA. gehörte zu unseren

absoluten Lieblingswänden.


Zufälligerweise hatten genau jenes befreundete Paar, mit denen wir vor 2 Jahren auf Kalymnos waren, ebenfalls vor, uns während ihres Urlaubs mit ihrem Bus in Kroatien besuchen zu kommen. Da wir ja allerdings bevor es dazu kam vor dem schlechten Wetter nach Leonidio flüchten mussten, rechneten wir schon fest damit, dass daraus leider nichts werden würde.

 

Durch die anhaltende Schlechtwetterfront fielen für die beiden jedoch alle nahegelegenen (Kletter-) Alternativen ebenso ins Wasser wie für uns und so traten auch Inge und Bert schliesslich die nicht ganz kurze Reise nach Griechenland an. Vorher musste zwar noch "schnell" der Hund in Betreuung gegeben und eine Ferienwohnung organisiert werden, dann aber ging es auch für die beiden ab in die Sonne und so feierten wir - wieder einmal in Griechenland - unser Wiedersehen.




Die zwei waren von Leonidio nicht weniger begeistert als wir, schwärmten jedoch auch in höchsten Tönen von den Gebieten in der Nähe von Kyparissi - einem der vielen weiteren vielversprechenden Klettergebieten auf der Peloponnes-Halbinsel. Daher beschlossen wir, uns bei der nächsten Gelegenheit unbedingt anzuschliessen und uns ein eigenes Bild von der ca. eine Stunde entfernt liegenden Felsenlandschaft zu machen.

 

In der Nacht vor unserem kleinen Ausflug gab es allerdings einige heftige Gewitter mit grossen Niederschlagsmengen und so waren wir plötzlich - nur 5 km von unserem Ziel entfernt - von einer grossen Geröllschicht auf der Strasse blockiert. Mit dem kleinen Mietwagen unserer Freunde, war an ein Weiterfahren nicht zu denken und glücklicherweise sahen wir erst nach dem Aussteigen, dass die Strasse an der Stelle, wo wir gehalten hatten zur Hälfte unterspült war. Der solide Anteil des Untergrunds hielt aber glücklicherweise der Belastung stand und so traten wir zwangsläufig den Umweg über die Bergpässe an.



Immerhin waren wir ja schon fast da und so erschien uns eine weitere Stunde gegurke durch die engen Strässchen durchaus lohnenswert. Der Umweg stellte sich in punkto Landschaft und Natur sogar als ein Geschenk heraus. Plötzlich änderte sich die Natur so sehr, dass sie sich deutlich von der typischen Mischung von Olivenbäumen und anderen Büschen unterschied, fast schon alpin wirkte und sogar leicht an amerikanische Nationalparks erinnerte.

 

Es war jedoch bei weitem nicht nur die Kletterei und die Zeit mit unseren Freunden aus Dresden, die die zwei Wochen unvergesslich gemacht haben. Das Gesamtpaket aus wirklich unbeschreiblich schöner und abwechslungsreicher Natur, glasklarem Wasser, den vielen tollen Bars und feinen Restaurants und der unbeschreiblichen Gastfreundschaft der griechischen Bevölkerung ist hier einfach sagenhaft.



 

 

Jam-Session in der Kneipe der Panjika-Cooperative.


Wir müssen ständig daran denken, dass die hier lebenden Menschen einfach immer ein Lachen im Gesicht haben, freundlich Grüssen oder strahlend von ihren letzten Urlauben in Deutschland erzählen. Prompt fällt uns auch der kleine Laden mitten in Leonidio ein, der lokale und überwiegend selbsthergestellte Produkte verkauft - jedes Mal, wenn wir dort eine Kleinigkeit kauften, bekamen wir mehr Geschenke von der Ladeninhaberin als wir gekauft hatten. Die Palette reichte dabei von grossen gefüllten Tüten mit Orangen, Mandarinen und Tomaten aus dem eigenen Garten, frischgebackenem Kuchen, Brot und den typischen Blätterteigtaschen gefüllt mit Spinat und Fetakäse.

 

Und auch der kleine Supermarkt am Hafen, in dem wir täglich unser Brot kauften schenkte uns dauernd kleine Köstlichkeiten und verschenkte oft Gemüse und Obst an andere Kletterer, die ebenso wie wir mit ihrem Bus an der kleinen Hafenpromenade campierten.



Die letzten zwei Wochen kamen uns einerseits deutlich länger vor, andererseits sind sie aber viel zu schnell verflogen und nun sind wir nach insgesamt zwei Monaten unbeschreiblich schöner Zeit zusammen mit engen Freunden, neu gewonnenen Freundschaften mit tollen Menschen, fesselnder (Zeit-)Geschichte, quirligen Städten, atemberaubenden Landschaften, wunderschönen Stränden mit türkisblauem Wasser, endlosen Küstenkilometern und Schotterstrassen, einigen Schlaglöchern, leckerem Essen und vielen Impressionen in unseren Köpfen und im Kofferraum unseres Busses bereits wieder auf dem Weg nach Hause - unserem kleinen Panama inmitten von (jetzt wahrscheinlich) Schneebedeckten Bergen …