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Wenn die Mandeln und der Rost um die Wette blühen …

Wieder mal ein Blog-Artikel der mit dem Wort "eigentlich" beginnt. Denn eigentlich wollten wir eben gar nicht auf Mallorca sein. Zumindest nicht genau jetzt.

 

Als sich im Herbst letzten Jahres eine Entspannung der Corona-bedingten Reiseeinschränkungen abzeichnete sahen wir unsere Chance gekommen endlich unsere schon länger bestehenden Israel Reise- und Kletterpläne in die Tat umzusetzen. Doch dann kam Omikron und plötzlich waren (zumindest die israelischen) Grenzen wieder zu.

Also war mal wieder spontanes Umplanen angesagt. Da sich Mallorca ebenfalls schon seit einiger Zeit auf unserer imaginären To-Do-Liste befand und wir sowohl das Kletter-Topo bereits im Regal stehen hatten, wie auch über Berge von Infos und Insider-Tipps eines gebürtigen Mallorquiners verfügten, war die Entscheidung schnell gefällt.

 

Aufgrund unserer ursprünglichen Pläne hatten wir uns drei Wochen Zeit genommen und so nutzen wir die Gelegenheit um - anstatt zu fliegen - mit unserem Bus nach Mallorca zu fahren. Das brachte im Vorfeld noch etwas zusätzlichen Stress, da wir nun gezwungen waren unser "Winterprojekt" - nämlich den Umbau unseres Buses - deutlich zu beschleunigen. Denn mindestens das neue Bett musste jetzt rechtzeitig einsetzbar sein!


 

 

Finale am letzten freien

Tag vor den Ferien:

Das neue (ausziehbare!) Lattenrost wird eingebaut.


Die erste Woche verbrachten wir allerdings nicht in unserem Bus, sondern gemeinsam mit guten Freunden in einer kleinen aber sehr feinen und abgelegenen Finca.

Die beiden überdachten Terrassen, kamen wegen der eher kalten Temperaturen während der Frühstücks- und Abendzeit zwar leider nur selten zum Einsatz, aber dafür nahmen wir jeden Abend ein kaltes Regenerationsbad im eigenen 10 Grad kühlen Pool ein und verbrachten anschliessend einen gemütlichen Abend vor dem Kaminfeuer.



 

 

10° Lufttemperatur und

10° Wassertemperatur

...

und das Kaminfeuer

lodert schon!


Die Mandelblüte, die zwischen Februar und März ganze Felder leuchten lässt und auf deren Anblick wir uns schon während der gesamten Hinfahrt gefreut hatten, war bei unserer Ankunft zwar leider schon am ausklingen - dafür war die gesamte Insel aber in die verschiedensten Grüntöne getaucht und viele der Seeluft ausgesetzten Bohrhaken "blühten" dazu in rötlich braunen Farbnuancen.

 

Und auch wenn wir unser Reisefazit damit schon vorwegnehmen: Wir sind während unserer Zeit auf Mallorca trotz des vielerorts schlechten Zustands nicht weniger Bohrhaken und Umlenker fast ausschliesslich sehr lohnenswerte, interessante und abwechslungsreiche Routen geklettert - man muss sich aber darauf einstellen nicht jede Route, die einen eigentlich interessieren würde auch wirklich guten Gewissens klettern zu können.

Die salzhaltige Seeluft zerstört die Absicherungen schlicht und einfach oft schneller, als die einheimischen Kletterer diese wieder sanieren können. Hinzu kommt bekannter Weise, dass Titan-Haken wesentlich teurer und das Setzen von Klebehaken deutlich aufwendiger ist, so dass die meisten sanierten Routen erneut mit «herkömmlichen» Bohrhaken ausgestattet wurden und es nur eine Frage der (kurzen) Zeit ist, bis auch diese von der Seeluft angegriffen werden.



Zudem kann es (je nach Monat) passieren, dass man unerwartet durch Hinweisschilder auf Sperrzeiten für die Vogelbrut zum Umkehren aufgefordert wird, denn diesbezügliche Informationen finden sich im Kletterführer (RockFax) leider genauso wenig wie Hinweise auf ganz offensichtlich aufgegebene bzw. hochgradig sanierungsbedürftige und damit aktuell komplett unbrauchbare Klettersektoren

(wie z.B. die beiden linken Sektoren in Alaro).

Daran hat auch die 2020 erschienene "Neuauflage" leider nichts geändert.

 

Würden wir Mallorca also als Kletterreise-Ziel weiterempfehlen?  

 

Die Chancen hier eine tolle Kletterzeit zu haben, hängt - wie erwähnt - nicht unwesentlich davon ab, entweder ein glückliches Händchen für die (auf die eigenen Ansprüche bezogenen) lohnendsten Sektoren mit den besten Bohrhaken zu haben oder im Vorfeld entsprechend geeignete Tipps von Freunden oder eben von Locals oder anderen Kletterern direkt vor Ort zu bekommen. Die «Leichtigkeit» mit der man sonst vielerorts an den Felsen geht und dabei davon ausgeht die gesamte Bandbreite aller bestehenden Routen zur Auswahl zu haben gibt es hier so nicht ...


 

 

 

Selbstverständlich waren

auch die "Insider-Gebiete",

die sich nicht im Guidebook befinden nicht vom Rostproblem befreit!

 


Ist man sich dessen bewusst und akzeptiert dieses als Teil einer allgemeinen Entdeckungsreise (oder zumindest für den im Moment nicht änderbaren Zustand), so kann man hier eine wahnsinnig schöne Zeit verbringen.

Denn gerade das Reisen selbst ist auf Mallorca denkbar unkompliziert und nicht nur die Klettermöglichkeiten scheinen auf Mallorca unbegrenzt zu sein - auch die Auswahl an traumhaften Übernachtungsplätzen war schier überwältigend!



Von unserer dreimonatigen Tour durch Festland-Spanien 2016 wussten wir, dass die Spanier generell sehr tolerant gegenüber "wildem Buscamping" eingestellt sind und auch Freunde, die noch letztes Jahr mit ihrem Bus auf Mallorca unterwegs waren, berichteten sehr ähnliche Erlebnisse - zumal es auf ganz Mallorca ohnehin gerade nur einen einzigen offiziellen Campingplatz, dafür aber gar nicht so wenige Campingbusse und Wohnmobile gibt.

 

Nach unserer zweiten Nacht im Bus an einem der zahlreichen Picknickplätze in der Serra de Tramuntana hatten wir dann direkt unseren ersten (und gleichzeitig letzten) Kontakt zu einem der Parkranger. Wir sassen gerade beim Frühstück und er ging freundlich grüssend umher und dokumentierte den Zustand der Anlage mit einer Kamera. Nachdem er seine Arbeit beendet hatte, machte er dann doch noch einen Schlenker zu uns - und fragte uns, ob wir hier geschlafen hätten und ob wir denn über die Campingregeln auf Mallorca informiert seien? Die gesetzlichen Vorgaben beinhalten nämlich eine Grauzone zwischen "Camping" und "Parking" und es sei dabei Auslegungssache, was nun zutrifft und ob es eine entsprechende Busse gäbe - oder eben nicht.

 

Er stellte anschliessend direkt klar, dass er nicht vorhatte uns eine Busse zu geben und setzte sich stattdessen zu uns an den Frühstückstisch, holte sein Handy hervor und zeigte uns dort auf seinem Karten App einige Übernachtungsalternativen, wo man sehr wahrscheinlich "in Ruhe gelassen wird".

 

Und was sollen wir sagen: Die empfohlenen Plätze waren allesamt noch viel schöner, als der wo wir zuvor gestanden hatten! Das sich diese Stellplätze meist im Nationalpark der Serra de Tramuntana oder aber direkt an der Küste mit Blick aufs Meer befanden kam uns dabei natürlich sehr gelegen.

 

Der überwiegende Teil der Stellplätze in der Serra de Tramuntana ist zudem mit sehr sauberen Sanitäranlagen, Wasserstellen und wunderschön im Wald gelegenen Grillstellen, inklusive Holztischen und Bänken ausgestattet. Also sozusagen mit der Infrastruktur eines einfachen Campingplatzes, nur ohne Dusche und Personal - aber dafür auch meistens auch ohne weitere "Campingplatzgäste".



Man sollte lediglich die vielen kleinen und engen Nebengässchen nicht unterschätzen!

 

Wir haben zwar einen «normal breiten» Van und sind an Zufahrtsstrassen mittlerweile vieles gewohnt, doch auch wir sind auf der Suche nach einem abgelegenen Stellplatz im Nebel und Regen mitten im Nirgendwo an unsere Grenzen gekommen. Schilder die angeben, auf wieviel Meter sich eine Strasse verjüngt sind auf Mallorca Fehlanzeige und so kam es, dass nachdem wir bereits circa einen Kilometer einer sich stetig windenden, serpentinenartigen Strasse gefahren sind, der Weg plötzlich immer enger wurde.

Weit nach der letzten Wendemöglichkeit war er bereits so eng, dass wir teilweise unsere Seitenspiegel einklappen mussten um weiter fahren zu können. Da sich auf der Karte aber ein Parkplatz am Ende der Strasse erkennen liess fuhren wir mutig und zuversichtlich weiter bis wir an die letzten 30m kamen, die uns noch von dem grossen Parkplatz trennten - und wo wir gemütlich hätten wenden können. Nachdem sich die Strasse kurz dezent verbreiterte, verengte sie sich nun allerdings enorm und war von hohen uneben gepflasterten Steinmauern begrenzt.

 

Wir stiegen beide aus und versuchten uns ein Bild der Lage, bzw. Strasse zu machen. Wir überlegten hin und her und wägten ab, ob wir hier überhaupt durchpassten, schien es doch fast unmöglich die letzten 300m rückwärts zurück zu fahren.

Wir versuchten die Breite unseres Buses mit einer Bandschlinge abzumessen und gingen dann jeder ein Ende der abgemessenen Bandschlinge in der Hand den Weg ab. Doch es war bereits an den ersten Metern klar, dass es einfach nicht passen würde. Vor der sich stark verengten Strasse versuchten wir daraufhin in einer felsigen Nische aus Verzweiflung vergebens zu wenden und als wir dachten es kann nicht schlimmer kommen, tauchte plötzlich ein PKW hinter uns auf, der natürlich aufgrund der Enge nicht an uns vorbeikam. Dieser hatte ein professionelleres Messinstrument als unsere Bandschlinge an Bord und so wurde unser Auto ein weiteres Mal vermessen, leider mit demselben Ergebnis.

 

Wir kommen einfach nicht zum Parkplatz durch!


 

 

Ab hier ging es definitiv nicht weiter - zumindest nicht ohne mindestens einen Seitenspiegel einzubüssen!


Uns blieb nun also nichts anderes übrig als die letzten 300m rückwärts mit eingeklappten Spiegeln, dafür aber mit aus den Fenstern gehaltenen Köpfen im Schneckentempo zurück zu navigieren. Spätestens danach waren wir heilfroh darüber eine Flasche Appenzeller im Auto zu haben und ermahnten uns selbst dazu nicht mehr gutgläubig jeden Weg entlang zu fahren …


Aber auch abseits vom Klettern - und abenteuerlichen Parkplatzzufahrten - hat die Insel enorm viel zu bieten. Ein Blick auf die Karte lässt bereits erahnen, dass ein Grossteil der Insel aus Gebirge besteht und nur zu Fuss zu entdecken ist. Doch selbst die Autofahrten durch den Westen der Insel sind unfassbar schön, hinter jeder Kurve erstreckt sich eine neue liebliche oder wilde und schroffe Bucht oder ein neuer Blick auf die Berge und potentielle Kletterfelsen. Wir hatten zwar leider meistens kühles und bewölktes Wetter, dafür liess dies die raue Schönheit der hiesigen Natur meist noch einmal eindrücklicher erscheinen.




Dass wir zudem einerseits in der Nebensaison und andererseits mit dem Camper unterwegs waren hat die Schönheit und die Intensivität der Erlebnisse wohl nochmals gesteigert. Viele der landschaftlichen Highlights durften wir alleine oder mit nur sehr wenigen anderen Menschen erkunden und geniessen. Sei es beim Klettern, Wandern, in der Einsamkeit unserer Übernachtungsplätze oder beim Schlendern durch die kleinen süssen Küstenstädtchen.

 

Dennoch wirkte die Insel aber dadurch nie ausgestorben, waren doch neben uns Kletterern noch etliche Wanderer und vor allem Rennvelofahrer unterwegs und die meisten Geschäfte, Bars und Restaurants waren - wenn auch nicht immer zu den üblichen Zeiten - immerhin geöffnet.




Leider geht ja jeder Urlaub einmal zu Ende und da die Wettervorhersage dazu passend heftigen Dauerregen versprach beschlossen wir den Regen nicht in unserem Bus, sondern in der Villa Vegana auszusitzen. Sowohl das Frühstück wie auch das Abendessen dort zählte definitiv zu den besten veganen Leckerbissen, die wir die letzten Jahre gegessen haben. Jedes Nahrungsmittel ist absolut frisch und selbstgemacht und in der ausgesprochen netten, zuvorkommenden und familiären Atmosphäre haben wir uns rundum pudelwohl gefühlt.

 

Wenn es euch also mal ohne Camper mal nach Mallorca verschlägt wisst ihr, wo ihr euch verwöhnen lassen könnt …