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Way to Marokko ...

2064 km sind es laut Routenplaner von Bern nach Tarifa - also bis zu dem Ort, von wo aus wir mit der Fähre nach Marokko übersetzen wollen. Grund genug es entspannt angehen zu lassen und bei dem einen oder anderen Klettergebiet auf dem Weg dorthin“ einen (mehr oder weniger) kurzen Zwischenstopp einzulegen.

 

Als erstes statteten wir der in den südfranzösischen Cevennen gelegenen Tarnschlucht einen Besuch ab. Dieses traditionsreiche Klettergebiet stand ohnehin schon lange auf unserer „To-Do“, bzw. „To-Climb-Liste“ und so wollten wir uns bei dieser Gelegenheit wenigstens schonmal einen ersten Eindruck verschaffen. Das Campen ausserhalb von Campingplätzen ist in der Tarnschlucht zwar eigentlich verboten - die Campingplätze hatten jedoch fast alle bereits geschlossen und auch sonst war abgesehen von ein paar vereinzelten Kletterseilschaften kaum noch jemand dort anzutreffen, so dass wir die Nächte ungestört und völlig allein auf einem der höher gelegenen Plateaus mit traumhafter Aussicht in die Schlucht verbringen konnten.




Die Kletterei in der Tarnschlucht bietet überwiegend technische und ausdauernde Lochkletterei in verschiedenen Wandneigungen und Routenlängen. Eine lokale Besonderheit sind die sogenannten „voies abus“, was so viel wie „überzogene Routen“ bedeutet. Diese warten mit bis zu 100 Klettermetern ohne Zwischenstand auf und erfordern ein dementsprechend spezielles Seil- und Sicherungsmanagement.

 

Doch nicht nur in diesen extrem langen Routen sind die Sicherungspunkte pragmatisch übersichtlich gesetzt, auch in den Routen mit normaler Seillänge finden sich, im Vergleich zu anderen Sportklettergebieten, in der Regel verhältnismäßig weite Hakenabstände. Diese Gebietsethik, welche auch bei den vergangenen Routensanierungen beibehalten wurde, führt zum einen dazu, dass auch längere schwierige Passagen oder Schlüsselstellen obligatorisch geklettert werden müssen - man aber im Gegenzug ungehindert den Bewegungsfluss geniessen kann, ohne übertrieben oft vom Clippen der Haken gestört zu werden.


 

Aus dem Guidebook:

 

Les Gorges du Tarn (2021)


Mit dem glücklichen Händchen der Gebietsneulinge landeten wir dann in einem kleinen aber feinen Sektor mit wirklich durchgehend tollen Kletterrouten, welcher allerdings (wie wir nachher festgestellt haben), im Internet des Öfteren als Sektor voller Sandbags* bezeichnet wird. Aber das machte die Routen ja natürlich nicht weniger schön und bereits vor der Weiterfahrt nach Rodellar stand für uns fest, dass wir definitiv in die Tarnschlucht zurückkehren werden - dann aber nicht nur als Zwischenstopp, sondern mit deutlich mehr Zeit im Gepäck!


 

Sandbag: Kletterer-Jargon für Routen, welche deutlich schwerer sind, als der gegebene Schwierigkeitsgrad.


Eine kleine Überraschung erwartete uns dann während der Weiterfahrt, als unsere Tankanzeige uns daran erinnerte möglichst bald die nächste Tankstelle anzusteuern. Da vor einiger Zeit, in einer ähnlichen Situation, weit und breit keine Tankstelle mehr auftauchen wollte und wir schliesslich mit der verbleibenden Reichweitenanzeige von 0 km und zunehmendem Angstschweiss auf der Stirn mit dem letzten Tropfen von der Autobahn rollten und nun sogar die nächste Autobahntankstelle geschlossen zu sein schien, fuhren wir dieses Mal lieber etwas früher von der Autobahn ab und steuerten eine nahgelegene Tankstelle in einem Vorort von Toulouse an.

 

Als erstes wunderten wir uns dort über die lange Autoschlange vor den Zapfsäulen, anschliessend über die offensichtlich allgemein etwas gereizte Stimmung, als es zwischen zwei Rollerfahrern beinahe zu einer Schlägerei kam und wieder einige Zeit später darüber, dass aus dem Zapfhahn einfach kein Diesel kommen wollte. Eine kurze und simple Erklärung des Tankwarts („Es gibt keinen Diesel mehr!“) und eine verwunderte Google-Anfrage später waren wir dann ein wenig schlauer: Die Mitarbeiter der Raffinerien streikten seit einigen Tagen (offensichtlich mindestens so lang, wie wir keine Nachrichten mehr gelesen hatten) und an den meisten anderen Tankstellen Frankreichs gibt es genau das gleiche Problem!

Während wir im Anschluss Tankstelle um Tankstelle anfuhren und immer wieder vor abgesperrten Zapfsäulen und abgeklebten Preistafeln standen, wuchs allmählig unsere Befürchtung in Toulouse das Ende des Streiks abwarten zu müssen. Zu guter Letzt hatten wir jedoch Glück und fanden doch noch eine Möglichkeit unseren Tank ausreichend zu befüllen, um ohne weiteren Tankstopp nach Spanien weiterfahren zu können.

 

Damit hatten wir an diesem Tag sogar doppeltes Glück gehabt, denn zum einen sind wir doch nicht in Toulouse gestrandet und zum anderen sind wir überhaupt rechtzeitig von der Autobahn abgefahren - die nächste offene Autobahn-Tankstelle hätten wir nämlich zwar anderenfalls noch erreicht, da es dort aber auch schon keinen Diesel mehr gab würden wir in diesem Fall evtl. noch heute auf dem angrenzenden Rastplatz campieren …

Voller guter Laune über einen einigermassen vollen Tank (die Literabgabe war pro Tankvorgang begrenzt), genossen wir also die traumhafte Weiterfahrt mitten durch die Pyrenäen und bestaunten dabei die karge Landschaft mit all seinen unendlichen Kurven, Schluchten und Felsriegeln.


 

Das Schild gibt es schon seit längerem - mittlerweile wird das Campieren im Dorf aber wirklich nicht mehr geduldet.


Kurz vor Ende der Öffnungszeiten des Campingplatz Mascuns erreichten wir dann endlich Rodellar. Angepriesen als eines der besten spanischen Klettergebiete mit Überhängen, welche das Laktat eines jeden Kletterers gehörig ansteigen lässt, unzähligen - aber leider mittlerweile auch teilweise extrem „polierten“ Routen - waren wir wahnsinnig auf unseren ersten Klettertag gespannt.

Wirklich vertikale Routen muss man in Rodellar tatsächlich eher suchen, dafür kann man sich aber stattdessen jeglichen Überhangsgrad nach Wunsch aussuchen und zwischen den imposanten grossen oder eher kleinen gemütlichen Wänden sowie der gewünschten Ausrichtung wählen.




Ein Resümee über Rodellar zu schreiben fällt uns beiden nicht leicht. Viele der Routen, besonders in den häufig besuchten Sektoren und/oder den Aufwärmtouren sind, wie bereits erwähnt, zum Teil sehr poliert, was zwar im Überhang weit weniger ausmacht, als bei delikater Wandkletterei, trotzdem kann es einen teilweise bereits in den Aufwärmtouren gehörig ins Schwitzen bringen.

Die Kletterei wirkte zunächst, ähnlich wie in anderen Gebieten in denen eher Kraft und Ausdauer anstatt einer ausgeklügelten Technik gefragt sind, eher gut lesbar. Doch viele Routen belehrten uns schliesslich eines Besseren, hinter vielen Tufas verstecken sich häufig mässig gute Zangen-Griffe anstatt des erwarteten Henkels* und auch das Finden von kraftsparenden Kneebars* fiel uns in anderen Gebieten schon mal deutlich leichter ...

 

Abweichend unseres ersten Eindruckes braucht es in Rodellar (zumindest für uns) etwas Zeit um in die Kletterei rein zu kommen, dann aber wird man mit einer schier unendlichen Routenanzahl belohnt und hat zudem noch die Wahl zwischen einem gemütlichen Austausch mit anderen Kletterern auf dem Campingplatz und/ oder im Refugio Kalandraka, entspannten Wanderungen oder einem kleinen Regenerationsschwumm im Mascun. Gerne wären wir am Ende daher noch etwas länger geblieben, wurden jedoch von einer Schlechtwetterfront weiter gen Süden Richtung Albarracin „geschickt“.

 

P.S: Für alle die hier nach Empfehlungen für die beste Kletterzeit suchen sollten: Der Juli und August, in welchem tatsächlich die meisten Kletterer*innen in Rodellar anzutreffen sind, ist es definitiv nicht - es sei denn ihr seid auf der Suche nach wilden Partys im Kalandraka.

Es ist uns wirklich unbegreiflich, wie es sich dort im August überhaupt klettern lässt. Je nach Jahresklima, braucht man unserer Meinung nach vor Mitte September nicht mal darüber nachdenken nach Rodellar zu fahren … In diesem Oktober hatten wir meist um die 22-26 Grad im Schatten und trugen am Felsen meist nicht mehr als einen Pullover oder eine dünne Jacke.


 

Henkel: Subjektiv grosser bis riesiger und damit gut zu haltender Griff.

 

Kneebar: Technik bei der der Unterschenkel mit dem Fuss bzw. Knie zwischen zwei Felsstrukturen eingeklemmt wird und somit zusätzlich ein zusätzlicher Haltepunkt geschaffen wird.



 

Wildes Campieren ist rund um Albarracin verboten!

 

... das nächtliche Parken ist auf diesem Platz jedoch erlaubt! ;-)


In Albarracin angekommen haben wir als erstes Klettergurt, Exen und Kletterseil gegen unsere bis dahin nur als bequeme Sitzmöglichkeit genutzten Crashpads gewechselt. Neben ein paar Tagesausflügen ins Berner Umland ist die Fahrt nach Albarracin nun unser erster „richtiger“ Bouldertrip und was sollen wir sagen? Es hat sich wirklich gelohnt!

Die unzähligen Felsblöcke aus wunderschön anzusehendem dunkelrotem Sandstein liegen in einem traumhaften Pinienwald verteilt und bieten für alle Kletterniveaus spannende Bewegungs“probleme“ inklusive fast durchweg ebenem Absprunggelände.

 

An Wochenenden wird es dort zwar recht voll, aber die Stimmung ist durchweg extrem entspannt, irgendwann liegen einfach überall Bouldermatten unter den verschiedensten Blöcken und es wird zusammen Beta* in verschiedensten Sprachen gesammelt und sich zusammen gefreut, wenn man Fortschritte macht oder gar den gesamten Boulder klettern kann.

 

Beta: Mögliche Bewegungsabfolgen um eine bestimmte Passage zu klettern.


 

Familienausflüge zum Bouldern sind in Albarracin keine Seltenheit.



 Die Kletterwelt ist ja bekanntlich sehr klein und so parkte - wieder einmal - plötzlich ein Bekannter mit seinem Wohnmobil neben uns, den wir bereits 2013 in Yangshuo / China kennen gelernt hatten, der noch einige Jahre dort lebte und nun aber zwischenzeitlich wieder nach Spanien zurückgekehrt ist. Gemeinsam mit einem weiteren „Yangshuo-Bekannten“ verbrachten wir zusammen unseren letzten Bouldertag in Albaraccin bevor wir am nächsten Morgen aufbrachen, um die letzten knapp 900km ans Meer nach Tarifa zu fahren.




Eigentlich war unser Plan im Kite-Surf Paradies Tarifa nur eine Nacht zu bleiben und dann mittags gemütlich mit der Fähre nach Marokko überzusetzen.

 

Allerdings dauerte das Wäsche waschen etwas länger als geplant und im Übrigen ist das Wort „eigentlich“ ja eh eines der spannendsten und schönsten Worte am Reisen!

Somit gönnten wir uns eine zweite Nacht mit Blick aufs Meer und der Fernsicht auf die Küste Afrikas und genossen bei einer Flasche Rioja, einer "Knofireibe" und Oliven vom Bus aus den „letzten“ Sonnenuntergang in Europa …